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Dienstag, Januar 13, 2015

DSLR für 100 Euro

Ein etwas gewagtes Experiment: Was taugt eine DSLR für 100 Euro?

Als ehemaliger Minolta-User hatte ich ein recht großes Kamerasystem mit einigen Wechselobjektiven, um zwei analoge SLRs herum. So lag es nahe eine kompatible Fullframe-Digital-SLR zu kaufen, damit die Objektive auch so weiter funktionierten wie bisher, ohne den "Crop-Effekt", den man erhält, wenn man die alten Kleinbildformat-Objektive an eine handelsübliche DSLR mit dem kleineren APS-C-Format - Sensor befestigt. Der Crop-Effekt äußert sich dabei so, als würde man einen 1,5-fachen Telekonverter vor alle Objektive schrauben; ein 28mm-Weitwinkel würde sich also in ein etwa 45mm-Normalobjektiv verwandeln. Damals schaffte ich also die Sony Alpha 850 an, deren Sensorgröße dem Kleinbildnegativ entsprach, denn Sony hatte die Fotosparte von Minolta bzw. Konika-Minolta übernommen. Als Profikamera vermarktet gab es die Kamera in Taiwan recht günstig. Bis letztes Jahr funktionierte auch alles einwandfrei, doch auf der Tour in Manila flog mir letztlich beim Fotografieren der Klappspiegel, der einer DSLR oder SLR den Namen gibt, einfach aus der Halterung und klapperte hinter dem Objektiv herum. Wollte ich noch fotografieren, musste ich die Kamera laden wie einen Vorderlader indem ich den Spiegel manuell wieder einsetzte und hatte dann genau einen Schuss frei.

Die Reparatur würde 320 Euro kosten, war Foren zu entnehmen und wehe wenn einem der Spiegel zerbrechen würde. Der sei nämlich nicht mehr lieferbar. Ein Leidensgenosse hatte ihn beim Spiegelweitwurf der Kamera zerbrechen lassen und war nun seit einem Jahr oder dergleichen auf der Suche nach einem neuen. Sony konnte nur mit den Schultern zucken, schrieb er. It's a Sony und zwar die noch teurere Zwillingsschwester Alpha 900 mit identischem Spiegelapparatus. Für satte 2700 Euro ging die Kamera einst über den Ladentisch und wurde von 2009-2012 gebaut. Doch schon 2014 war offenbar der Spiegel nicht mehr lieferbar.

Bei meiner Alpha 850 ist er seither mit kostengünstigem Sekundenkleber festgeklebt und mit der Kamera mache ich fast nur noch Einzelbilder, immer in Sorge bei einer Serienbildschaltung würde mir der zu heftig schwingende Spiegel davon fliegen. Was also tun? Leidensgenossen in Kameraforen empfahlen die Anschaffung einer billigen Einstiegssony als Backup für die spiegelwerfende Große. Eine fabrikneue Sony DSLR (oder DSLT wie die neue Generation sich nennt) wollte ich nun aber nicht mehr anschaffen. Schließlich gehört Ersatzteilversorgung ja auch zu den Aufgaben eines Herstellers und wenn der da jedenfalls laut Kameraforen spart ist das Geld für ein Neugerät ja eventuell schlecht angelegt. Unwillig viel Geld für eine neue Sony auszugeben landete ich schließlich bei Ebay und einer alten Alpha 230, die im Modelljahr 2009 erschienen war. Noch relativ neu konnte ich sie für nur 100 Euro bei einer Auktion erstehen. Würde man wirklich für 100 Euro eine funktionierende DSLR bekommen?

Die Alpha 230 ist eine leicht abgespeckte Version der vorherigen Alpha 200, die wiederum auf die Ur-DSLR von Sony, Die Alpha 100 zurück geht. Alle drei sind 10-Megapixelkameras (während die Alpha 850 eine 24-Megapixelkamera ist) und daher unterhalb der 14-MPixel-Grenze, ab der Gebrauchtkamerakäufer offenkundig erst bereit sind, etwas mehr Geld auszugeben. Die Alpha 100 stammt im übrigen noch direkt von der Konika-Minolta Dynax 7d ab, die noch eine 6-MPixel-Kamera war. Man kriegt sie schon fast nachgeschmissen, die niederpixeligen DSLRs. Wie gut würde das Ding also sein, das natürlich für den Preis ohne Objektiv kam?

Wie sehr oft bei Gebrauchtkameras kam die Alpha 230 praktisch neuwertig zu mir. Kein Kratzer am Gehäuse, der kratzempfindliche Bildschirm war auch makellos. Wie aus dem Laden, denn die meisten Leute nutzen eine Kamera nur sehr vorsichtig einmal im Jahresurlaub für 50 Fotos mit Onkel Hotte vor dem Taj Mahal.

Die Kamera ist klein und leicht und liegt mittelmäßig gut in der Hand und schont natürlich das Genick weitaus mehr als die metallene Alpha 850, die kiloschwer am Hals hängt. Ebenfalls mit einem 9-strahligen Autofokus (wenn auch ohne die 10 Hilfspunkte der 850 und mit mittigem Kreuzsensor statt Doppelkreuz) ist sie gut ausgestattet, auch wenn die Serienbildschaltung mit nur einem Bild pro Sekunde (850: 3) sehr lahm wirkt. Auch den Programmshift der 850 vermisse ich, der das variieren der Blenden/zeitkombination bei identischer Helligkeit erlaubt. Aber gut, sie soll ja auch nur ein Backup in der Fototasche sein. Im Gegensatz zur 850 hat sie einen Blitz eingebaut, wenn auch nur eine winzige Funzel (Leitzahl 9 glaube ich), teilt sich aber auch anstandslos die Systemblitze mit der 850. Bei Speicherkarten ist sie halb kompatibel, sie verwendet auch die sonytypischen "Memorystick Pro Duo", die leider teurer sind als die handelsüblicheren SD-Karten. Sie hat zwar wie die 850 einen zweiten Kartenslot, der tatsächlich SD-Karten schlucken soll (850: CF-Karten), was bei meinem Exemplar wohl wegen eines versteckten Defektes nicht funktioniert ("Karte gesperrt" meldet sie auch bei entsperrten Karten). Die 850 hingegen verwendet außer CF-Karten auch den Memorystick Pro Duo, da bin ich zumindest zur Hälfte kompatibel. Unangenehm naürlich der Crop-Effekt. Mein Standardobjektiv 28-105 verwandelt die 230 durch das kleinere Bildformat in ein effektives 45-158mm, von Normal bis schwachem Tele. Da kann man wenig mit anfangen ohne Weitwinkeleinstellung. Mein sperriges (weil für Fullframe gebautes) und etwas wackelig gebautes Superweitwinkel von Cosina (19-35mm) wird mit ihr allerdings zum gerade akzeptablem Standardobjektiv, effektiv etwa zum 29-50mm. Trotz aller Mankos finde ich es schon erstaunlich, dass man für einen Hunderter eine funktionierende DSLR bekommt und als Backup ist sie sicherlich genau das Richtige.

Wie lange das mit dem Cosina gut geht, ist allerdings die Frage. Das ist nämlich eigentlich ein Soligor, auch unter den Namen Voigtländer und Vivitar auf dem Markt gewesen und ich nenne es mein Unglücksobjektiv. Denn es ist schon das fünfte aus der Reihe das ich angeschafft habe über die Jahre. Die ursprünglich auf ein stablileres Tokina mit Metallgehäuse zurückgehende Konstruktion hat zwar eine gute Optik, aber es scheint ein Fluch auf dem Objektiv zu liegen. Zwei sind mir bislang gestohlen worden und zwei sind durch mechanische Defekte bei Nutzung an der Sony Alpha 850 frühzeitig ausgeschieden. Allerdings werden sie immer billiger, das letzte kam bei Ebay nur nur 28 Euro - ein verblüffend niedriger Preis für ein vollformattaugliches Superweitwinkel - sowas kostet sonst heute neu um die 1000 Euro.

Was beiden Kameras fehlt im Vergleich zum Nachfolger der Alpha 850/900 oder den teureren größeren Schwestern der Alpha 230 (Alpha 330, 380) sind Live-View (Anzeige des Sucherbilds auf Bildschirm) oder Videofunktion. Beide Kameras haben aber einen hervorragenden altmodischen Sucher. Auch sind die Monitore nicht klappbar. Beiden Kameras steht das reichhaltige Arsenal der zum Teil spottbillig gewordenen alten Minolta-Objektive zur Verfügung, auch wenn die APS-C-formatigen Alphas wie die 230 hier mit dem Crop-Effekt die Nutzbarkeit einschränken (Objektivanschluss ist das Minolta/Sony A-Bajonett).

Einstweilen geht also das Sonyfotografieren weiter mit billigen Ersatzstücken. Bei Canon soll der Spiegelweitwurf auch schon vorgekommen sein - angeblich war ein gemeinsamer Klebstoffzulieferer schuld. Aber die reparieren wohl sogar noch. Obwohl es glaube ich moderne Harvardökonomie ist, solange an Lagerhaltung und Support zu sparen, bis auch die letzten Kunden geflüchtet sind ;-)

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Noch besser ist natürlich diese Kamera: http://www.imdb.com/title/tt2669336/

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