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Donnerstag, November 27, 2014

Garküchenessen auf Wiedersehen

Zehn Jahre lang habe ich in Taiwan an Frühstücksbuden und in Garküchen gegessen. Das geht jetzt offenbar nicht mehr.

Aus einer Magenverstimmung ist nun bei mir ein veritabler Lebensabschnitt geworden.Ohne den geneigten, wenn auch unter Umständen schadenfrohen Leser mit Details langweilen zu wollen: Zur Zeit scheint sich heraus zu kristallisieren, dass ich nicht mehr an Frühstücksbuden oder Garküchen essen kann. Tue ich das, stellt sich eine Art Schwindelgefühl im Magen ein, die Magenwände scheinen irgendwie gereizt und wollen durch ständiges essen beruhigt werden. Nach Wochen der Fehlfunktion war ich dann so kraftlos, dass ich fast zusammengeklappt wäre und nur ein Energiemix aus süßer (nicht etwa diätischer) Cola nebst salziger US-Kartoffelchips gab mir schlagartig Energie und Kraft zurück. Ersatzweise auch ein Snickersriegel und eben die Pringles-Chips. Bloß nichts in Taiwan hergestelltes.

Derzeit lebe ich nur von Seven-Eleven Sandwiches, die bekommen mir, ebenso wie allerdings der nackte Reis aus der Kantine. Alles andere in der Kantine, die ja auch nur von einer billigen Garküche beliefert wird und aus den Frühstücksbuden bekommt mir ganz und gar nicht. Nun esse ich dieses Taiwan- Garküchen-Einfachessen, billig und eigentlich wohlschmeckend, ja schon seit 10 Jahren, aber irgendetwas hat sich verändert. Nur ein Schelm wird einen Zusammenhang zu dem jüngsten Lebensmittelskandal mit u.a. aus Tierkadavern und Küchenabfällen kompostiertem Kochöl konstruieren, das natürlich überall in den Garküchen noch verwendet wird. Kontrolliert ja kein Mensch und die Gewinnspanne der kleinen Buden ist viel zu gering, als dass sie ihre Rohstoffe wegwerfen könnten.

Ich schließe daher mit den gängigen Klischees, Taiwans Essen ist billig und superlecker nur eben jetzt nichts mehr für mich. Ebenso wie bei meiner zurückliegenden Reise aufs chinesische Festland muss ich ab jetzt genau gucken, was ich esse - das passt ja zum Annäherungskurs Chinas und Taiwans, den wir seit einiger Zeit erleben. Daher meine Wahlempfehlung an mitlesende Taiwaner: Bitte unbedingt KMT wählen, denn die Taiwan-Independence der DPP etc. passt einfach nicht mehr zum längst dem Festland angeglichenen toxischen Essen in Taiwan.

Naruwan ade, an Ni3 hao3 sind wir ja auch viel gewöhnter.


Dienstag, November 25, 2014

Taiwans gesetzliche Krankenversicherung im Abbau

Taiwan hat wie auch Deutschland das Problem von wenig Geburten und Überalterung. Daher wird in den nächsten Jahren die gesetzliche Krankenversicherung, die bislang für wenig Geld (oft 1000 NT/25 Euro monatl.) einen fast umfassenden Rundumschutz bietet, nach einschlägigen bislang wohl nur chinesischsprachigen Meldungen massiv abgebaut.

Was hat Taiwan jetzt zu bieten? Eher mehr als in Deutschland, auch wenn der Doc vielleicht lieber weniger Medikamente mitgibt, die man in Taiwan gleich in der Praxis erhält, damit man öfter wiederkommt. Und  Praxisgebühr in Höhe von 200 NT haben sie auch schon und Zuzahlung bei Zahnersatz.

Was ist für die Zukunft geplant? Stufenweise Absenkung der Leistungen, zeitliche limitierter Aufenthalt im Krankenhaus, so dass ernsthaft kranke "Krankenhaus-Hopping" machen müssen, starke Reduzierung der Leistungen auch bei der Versorgung von Frühgeburten und viel mehr. Das kann dramatische Auswirkungen haben. Mein frühgeborener Sohn etwa hatte eine Krankenhausrechnung von 250.000 NT / 6.000 Euro oder dergleichen produziert, das kann sich nicht jeder leisten. Eigentlich. Aber durch die GKV Taiwans wurden daraus nur 200 NT Zuzahlung, das war nett. Zukünftig heißt es dann wohl: Entweder tief in die Tasche greifen oder dem Kind lieber Sterbehilfe geben. FDP-Freiheit-und-Abenteuer habe ich das früher genannt, aber weder in Deutschland noch Taiwan gibt es ja noch eine (nennenswerte) FDP mittlerweile.

Was kann man tun? Wir haben eine anfangs recht teure private Zusatzversicherung abgeschlossen, lustigereise bei der ALLIANZ Taiwan. Wir haben eine sehr teure Lebensversicherung dabei, die im Todesfall ein paar Millionen NT zahlt. Die kombinierte Krankenversicherung übernimmt die Ausfälle der GKV und zahlt sogar noch mehr, heißt es. Man kann sich übrigens in Taiwan sogar überversichern, sagt meine Frau, und dann aus mehreren Versicherungen die Leistungen kassieren. Ich mahne hier die Gattin zur nochmaligen Überprüfung, sollte jemals der Fall eintreten. Jedenfalls können wir die Lebensversicherung (die keine ERlebensvesicherung ist) nach 2 Jahren kündigen und behalten dann die billigere Krankenversicherung, die u.a. Einzelzimmer im Krankenhaus zahlt.

Bei Umzug auf die Philippinen kann meine Frau zumindest die GKV Taiwans mitnehmen, ob auch die private, ist mir noch unklar. In der Tat zahlen die taiwanische GKV auch wenn Taiwaner im Ausland leben - so unser derzeitiger Erkenntnisstand. Für den Expatgatten meiner Frau soll das auch gelten, denkt sie. "Gilt das nicht", denke ich. Aber schauen wir mal.


Montag, November 24, 2014

INFO: Taiwan: Schlechte Lebensmittelsicherheit (Update)

Die auch in diesem Blog ausgesprochenen Empfehlungen, Taiwan hätte viel preiswertes köstliches Essen zu bieten, kann man nach den wiederholten Dauer-Lebensmittelskandalen so nicht mehr stehen lassen. Mit abklingenden Magenschmerzen der Versuch einer fairen Essens-FAQ für Taiwan. 

Leckere 100 NT Nudelsuppe aus der Garküche. Billig und wohlschmeckend, evtl. nicht ganz unbedenklich


1-> Ich habe Gastgeschenke in Form von Ananasküchlein / anderen Lebensmitteln aus Taiwan bekommen, kann ich das gefahrlos essen?
Mit großer Wahrscheinlichkeit ist in den Lebensmitteln der industrielle Flüssigkunststoff DEHP zumindest in Spuren enthalten. DEHP ist krebserregend und leibesfruchtschädigend, hemmt auch die Entwicklung von Kindern per Eingriff in den Hormonhaushalt. DEHP ist in Taiwan ein üblicher, wenn auch illegaler Ersatz für Palmöl / die Viskosität fördernde Lebensmittelöle. Schwangere, Kinder und Leute mit bekannten allergischen Reaktionen gegen chemische Substanzen oder Medikamente sollten taiwanische Lebensmittel wohl besser nicht verzehren, auch wenn die Einnahme in kleinen Mengen wohl gefahrlos ist. Zumindest neuere Lebensmittel enthalten auch Öl, das aus Zuchtviehkadavern aus kranken Zuchttieren hergestellt ist und mit Antibiotika, weiblichen Hormonen und Verhütungsmittel versetzt ist (weil für die Tierzucht vorgesehene Fette in menschlicher Nahrung verwendet worden sind).

2-> Ich habe Softdrinks/Teebeutel/Teeblätter aus Taiwan herumliegen, kann ich diese gefahrlos konsumieren?
Es gilt für Fertiggetränke das unter 1) gesagte, weil die problematischen Öle und Fette auch bei Getränken eingesetzt worden sind. Fertige Teegetränke enthalten zumindest in jüngster Zeit krebserregende Substanzen (wohl Schwermetalle) aus dem Dünger der Teeblätter, die aus Vietnam (und wohl auch der VR-China) kommen. Derzeit werden Teebeutel oder -Blätter nicht bei den Skandalen genannt.

3-> Ich habe Bier/Spirituosen aus Taiwan herumliegen, kann ich diese gefahrlos konsumieren?
Mir persönlich ist nicht bekannt, dass die aktuell bekannten Lebensmittelskandale auch Alkoholika betreffen, ansonsten siehe 1) und 2).

4-> Kann ich in Deutschland gefahrlos "Perlentee/Bubble-Tee" aus Taiwan konsumieren?
In Deutschland servierter "taiwanischer" Perlentee wird meist Milch aus Deutschland verwenden. Mir ist jedoch bekannt, dass für den deutschen Markt auf einschlägigen Internethandelsplattformen angebotenes Instantpulver für Perlentee teilweise aus Vietnam stammt. Hier kann ich also keine Aussage zu treffen. Die "Bubbles" im Bubbletee sind in Deutschland meist völlig taiwanfremde gummibärenartige extremsüße Zusätze, das Endprodukt hat mit dem taiwanischen Bubbletee nichts zu tun, daher kann man keine aus Taiwan abgeleitete Aussage treffen. Die Tees sind also vermutlich nicht betroffen.
Jedoch kann es Cafés geben, die original taiwanische Zutaten verwenden, hier gilt dann das unter 1) und 2) gesagte. Gerade die original taiwanischen schwachsüßen "Bubbles" (Gummibälle) im Tee waren in der Vergangenheit oft mit DEHP (s.o.) versetzt.

5->  Soll ich im Asia-Shop jetzt Lebensmittel aus Taiwan vermeiden?
Man hat dort meist sowieso Zeug aus Thailand, Vietnam und der VR-China. Ob das sicherer ist, kann sich jeder selbst überlegen.

6-> Ich bin demnächst auf kurzer Reise in Taiwan / kann ich mich dort gefahrlos ernähren?
Es gilt das unter 1) und 2) gesagte. Schwangere, Kinder und Personen mit bekannten Allergien sollten ggf. Taiwan als Reiseland meiden oder versuchen, ihre Ernährung "untaiwanisch", also etwa aus dem Importlebensmittelmarkt "Jason´s" im Basement vom Einkaufszentrum "Taipei 101" im gleichnamigen Hochhaus zu bestreiten. Für alle anderen wird die Einnahme gesundheitsschädlicher Substanzen sicher in der statistischen Schwankungsbreite von allgemeinen Umweltgiften untergehen, die man überall in der Welt zu sich nimmt.

7-> Ich halte mich längere Zeit in Taiwan auf, wie kann ich mich gefahrlos ernähren?
Es gilt das unter 6) gesagte. Weil eine Vermeidung taiwanischer Lebensmittel wohl kaum machbar ist bei längerem Aufenthalt fällt das unter unvermeidbare Risiken, denke ich.

8-> Wie sieht es mit biologischer Verseuchung aus? Bekommt man Magendarmprobleme vom Essen in Taiwan abgesehen von der chemischen Verseuchung oben?
In dieser Hinsicht ist Taiwan unproblematisch, i.A. verträgt man selbst Garküchenessen sehr gut. Als Problemzone hat sich das offene Speiseeis zur Selbstbedienung mit oft unsaubereren und warmen Schöpflöffeln in vielen taiwanischen Restaurants erwiesen. Persönlich kann ich nach längerer Magenkrankheit schlecht durchgebratenes Eigelb an Frühstücksbuden in die Liste aufnehmen. Sonst verträgt man eigentlich alles gut.
Bei Restaurants eher noch als bei Garküchen sollte man überprüfen, dass sanitäre Anlagen von der Essenszubereitung getrennt sind, was nicht immer (aber fast immer) der Fall ist.

9-> Man hört immer, Taiwanessen sei lecker und gesund. Wie passt das zusammen?
Siehe Einleitung, die chemische Verseuchung hat man dabei (noch) nicht berücksichtigt.

10->Stimmen die obigen Horrorgeschichten wirklich?
Links:
http://en.wikipedia.org/wiki/2014_Taiwan_food_scandal
http://en.wikipedia.org/wiki/2013_Taiwan_food_scandal
Update 2, noch ein Link: http://en.wikipedia.org/wiki/2011_Taiwan_food_scandal
http://www.bloomberg.com/news/2014-10-28/taiwan-food-scandal-forces-taipei-101-executive-out-of-post.html
http://sinosphere.blogs.nytimes.com/2014/10/30/taiwanese-tycoon-faces-charges-in-cooking-oil-scandal/?_r=0
http://www.asianews.it/news-en/Food-scandal-widens:-not-just-flour,-but-ice-cream-and-rice-28124.html
http://blogs.wsj.com/chinarealtime/2014/09/11/after-tainted-oil-scandal-taiwan-pledges-to-clean-up-food-safety/


11-> Sind auch Milchprodukte/Backwaren betroffen?
Milchprodukte und Backwaren waren ebenso betroffen, wegen der Verwendung von falschem Palmöl, Talg und Ölen. Milchprodukte hatten in der Vergangenheit weitere chemische Verunreinigungen, die zumindest bei mir allergische Reaktionen hervorgerufen haben. 

12-> Also sind alle ausländischen (westliche/japanische) Lebensmittel in Taiwan sicher?
Ist auf den Packungen direkt ein taiwanischer Importeur angegeben, ist die Sicherheit u.U. nicht mehr gewährleistet. Bei dem Skandal wurde ein angeblich italienisches natives Olivenöl zumindest mit taiwanischem belasteten Billigöl versetzt. Ist kein Importeur angegeben, sind die Lebensmittel wohl vom Geschäft selbst importiert und tatsächlich ausländisch. Achtung: Waren mancher ausländischen Marken sind in Taiwan unter Verwendung taiwanischer Zutaten hergestellt und waren in der Vergangenheit ebenso betroffen. Hier ist dann Taiwan als Herstellungsort angegeben oder chinesische Schriftzeichen sind direkt auf der Packung (und nicht nur auf einem weißen Handelsaufkleber) zu sehen.

13-> Aber in Deutschland/Timbuktu gibt es doch auch Lebensmittelskandale!
Klar, doch das ist hier nicht das Thema. Der Umfang in Taiwan scheint mir jedoch wesentlich weiter greifend zu sein, als dies etwa in Mitteleuropa der Fall ist. Sicher war der Billigöl/Dioxinöl-Skandal seinerzeit in Italien schlimmer. Man kann das die letzten 10 Jahre+ in Taiwan vorgehende wohl am ehesten mit dem deutschen Glykolweinskandal vergleichen, wenn man sich vorstellt, dieser sei seit über 10 Jahren im Gange und hätte fast alle Lebensmittel und nicht nur süßen Wein betroffen.

14-> Gibt es in Taiwan keine Kontrollbehörde für Lebensmittel?
Doch, sie testen laufend, finden aber auch immer wieder neues problematisches, das oft flächendeckend in ganz Taiwan und in fast allen Lebensmitteln vorkommt. Zuständig ist die FDA der Republik China/Tawan.

15-> Wieso ist der Skandal so lang andauernd?
Es handelt sich streng genommen um mehrere ineinander greifende Skandale. Jedoch ist der Flüssigkunststoff DEHP sowohl beim 2011er als auch beim 2014er Skandal vertreten. Und damals beim 2011er DEHP-Skandal wurde vermeldet, dieser Stoff seit schon seit langer Zeit in Taiwan in den Lebensmitteln enthalten. Man achte auf die Formulierung in dem obigen 2011er-Wikipedia-Link, wo Taiwans Präsident Ma der Oppostion vorwirft, bei ihrer damaligen Präsidentschaft (2000-2008) nicht das DEHP im Essen selbst entdeckt zu haben!

16-> Ich bin schwanger in Taiwan, was soll ich tun?
 Die Faustregel in meiner Taiwanfamilie für Schwangere war immer, keine Softdrinks zu sich zu nehmen, also auch keine Fertigtees oder sonstige Fertiggetränke aus dem Supermarkt, sondern Wasser zu bevorzugen (abgekocht natürlich). Eine Mutter aus der Familie, die viele Softdrinks (Eistees) zu sich genommen hat, hat leider ein teilweise körperbehindertes Kind geboren. Was die Ursache ist, lässt sich natürlich nicht ermitteln. Aber Tees haben in der Vergangenheit u.a. DEHP (s.o.) und neuerdings krebserregende Zutaten aus Vietnam (u.a. auch Spuren des "Agent Orange") enthalten. Die Lust nachKnabbereien/Schnökern/Zusatzessen teilweise durch Importlebensmittel zu bestreiten wird sicherlich zu empfehlen sein, um die Kontaminierung einzugrenzen. 

17-> Was ist mit dem Wasser?
Wasser kann aus der Leitung entnommen und nach Abkochen getrunken werden. Parasitärer Befall durch Genuss von nicht abgekochtem Wasser ist in der Vergangenheit bekannt geworden. Gekauftes Tafelwasser in Flaschen hat sich in der Vergangenheit entgegen anders lautender Etikettierung oft als Leitungswasser (ob abgekocht oder nicht ist mir nicht bekannt) entpuppt, teure Importmarken ausgenommen.  

18-> Betrifft das auch Gemüse/Obst/vegetarische Produkte/Gerichte?
Wenn vegetarische Gerichte mit Öl und Fett hergestellt worden sind ja. Vegetarische Gerichte haben auch oft tierische Bestandteile enthalten in Taiwan in vorangegangenen Skandalen. Obst und Gemüse kann eine hohe Konzentration von Pestiziden enthalten, siehe hier (Chinesisch): http://www.newsmarket.com.tw/blog/59892/ bis zum 280fachen des Erlaubten. Kauft man frisches Gemüse und Obst sind die Chancen aber wohl besser im Allgemeinen - schätze ich.

Und das neueste....  "Agent Orange" soll durch Lebensmittel, die Zutaten aus Vietnam verwenden, im taiwanischen Essen sein. Guten Appetit!

UPDATE: Tolle Taiwan-Lebensmittelskandalübersicht aus dem neueren Taiwan-Expatforum: https://taiwanease.com/en/forums/a-history-of-taiwan-s-food-supply-decades-of-poisoning-adulteration-and-fraud-t13203.html

Mittwoch, November 19, 2014

Gewünschte Nichtkunden

Weiter in der Planung zur Auswanderung nach Manila, Philippinen. Siehe auch hier: http://osttellerrand.blogspot.tw/2014/11/als-kleinunternehmer-in-manila.html


Sicher hat die Planung der Auswanderung nach Manila etwas beunruhigendes. Als ich mal kurz durch eine deutschsprachige Philippinen-Nachrichtenseite brauste, fiel mir schon die hohe Zahl der toten Ausländer ins Auge. Ein Koreaner saß in seiner Wohnung gefesselt und erstochen auf dem Stuhl, Handy und Laptop fehlten. Ein Holländer lag ausgeblutet auf seiner Rattan-Couch, er war zuletzt mit drei Damen in der Wohnung gesehen worden. Sofort merkte mein zynischer Expatverstand an, der Japaner, den das "Expatgeschäft" meiner Manilafamilie als Dauerkunden hatte (nichts anrüchiges sondern Vermietungsgeschäft) hätte da sicher einen Vorteil mit seiner japanischen Bondage-Geschichte gehabt. Bindet man das Mädel fest, kann sie einen nicht erdolchen. Auch wieder eine Lebensweisheit für sich. Ein anderer Holländer wurde in seinem Büro in den Kopf geschossen, nachdem er viel Bargeld von der Bank geholt hatte. Man muss dazu wissen, dass es auf den Philippinen keine Überweisungen zwischen verschiedenen Banken gibt, dafür aber viele arme Leute und ebenso viele Waffen. Einem Deutschen (?) wurde auch in den Kopf geschossen, als er auch Bargeld abgeholt hatte und das, obwohl er schon vor den Räubern kniete. Ein weiterer Holländer saß tot und vielleicht natürlicherweise gestorben auf seinem Stuhl, hatte viel getrunken sagte die Maid. Und versteckte schnell die Giftampulle? Ein Franzose lag tot und verwest in seinem Haus, eine Patronenhülse neben sich. Eine Maid steckte das Haus in Brand um ihren Anstellungsvertrag zu vernichten (hä?) und tötete so eine weitere Maid. Ein Saudi sollte seine Maid vergewaltigt haben, wurde aber wegen Diabetes und weil seine Frau hübscher sei freigeprochen. Ein Inder wurde wegen Vergewaltigung der Maid verhaftet ("zu wenig Zucker gegessen" vermeldete mein zynischer Expatverstandesteil, der jetzt besser die Klappe gehalten hätte) und .... eine andere Maid hatte reihenweise ihre Arbeitgeber vergiftet um dann mit Wertsachen beladen die nächste Anstellung zu suchen und war zwischendurch zweimal aus dem Gefängnis ausgebrochen. Es gab noch zwei Frauen, die teilerschlagen und bei lebendigem Leib eingefroren waren und mehrere tote Familien, ich wollte das nicht mehr alles lesen.

 Junior (3) bestand drauf, dass ich dieses Foto von dem Baum in der Mitte machte aus dem Auto heraus. Hat irgendwie was.


Da Gattin und Schwesterherz der Gattin im Dual-Drachenmodus bereits alles in die Wege geleitet haben, will ich auch nicht mit so typisch teutonischen Einwänden kommen und erkenne jedenfalls eingeladene Damen (betrifft mich nicht) und Geldabheben als Problemzonen. Für letzteres braucht man in Manila offensichtlich sechs Leute mit Schnellfeuerwaffen als Leibgarde.

In das Vermietungsgeschäft wollen wir auch investieren. Also will mein Dualdrachen aus Frau und Schwesterherz. Interessant fand ich - und hier drum sollte es eigentlich in diesem Artikel gehen -, dass Schwesterherz als Vermieterin grundsätzlich Einheimische als Kunden ausschließt. Klingt lustig und widersinnig, macht aber Sinn. Und ist mir aus meiner Lateinamerikareisezeit als Vermieterprinzip wohlbekannt. Schlichtweg schlagen Einheimische alles kurz und klein. Im Falle des Mietobjekts käme hier nur die philippinische Oberklasse aus Kostengründen in Frage, aber selbst die schlägt die Mietobjekte in Klump. Das sind Leute, die eigentlich in ihren abgeschotteten Villenvierteln leben, manchmal noch Spanisch sprechen und die Einheimischen als "Indios" bezeichnen, bar jedwedem Sinns. Die Leute sind wohl schlichtweg zu "elitär" um Rücksicht auf das Eigentum von Lakaien wie Vermietern zu nehmen. Es claro und ist muy bien, nur sollen sie dann eben woanders mieten. Sonst bräuchte man eine einheimischengerechte Wohnstatt mit Gummitapete.

So, fehlt noch der Zusatz, dass wir natürlich auf die Philippinen auswandern, weil wir die Leute so nett und freundlich und hilfsbereit und multikulti finden und mordsmäßig (kicher) an der Landeskultur interessiert sind. Es verdad.

*** Wenn die Magenkrankheit nicht bald aufhört wird dieses Blog womöglich noch unerträglich sarkastisch oder eher zynisch, aber das ist derzeit halt eine medizinische Frage. ***


Dienstag, November 18, 2014

Toxisches Essen / Magenkrank, Toxiwan (Update 2)

Version für Taiwan-Newbies: Taiwan-Essen superlecker, besonders die Festessen. Leckere Nudelsuppen, alles superlecker (hatten wir das schon gesagt?) und gesund. Seafood mit Seafood und Sea grass und Sea Gurkin und haste nicht gesehen. 

Seit Wochen sind meine Magenwände im Stress, was zu Dauermagenschmerzen führt. Medikamente lindern, aber helfen nicht richtig, dazu merkwürdige allergische Beschwerden wie Jucken im Gesicht und dann plötzlich eine glasierte rote Fläche unter dem rechten Wangenknochen. Sowas hatte ich noch nie. Was hat sich da abgelagert? Nun, Möglichkeiten gibt es reichlich. Seit ich 2004 hierher kam hat Taiwan im Wesentlichen einen einzigen dauerhaften Lebensmittelskandal mit wechselnden Zutaten. Nur dass man davon bis vor 2012 (war es glaube ich) nichts gemerkt hat, aber das Gift war schon im Essen. Statt Palmöl, das fast überall als Verdicker enthalten ist (in taiwanischer "Milch", in "Säften", in Gebäck, in Fertigsaucen und Ölen, die sowohl von Nahrungsmittelfabriken wie auch Garküchen, Restaurants und Bäckereien verwendet werden) hatten sie einfach industriellen Flüssigkunststoff verkauft, der eigentlich nur als industrieller Schmierstoff verwendet werden darf und nicht genießbar und leicht toxisch ist. Mir hatte das viele Jahre leicht aber beständig juckenden Ausschlags und sonstige Probleme bereitet, die schlagartig verschwanden, als Taiwans "Food and Drug Administration (FDA)" per Zufall den Skandal aufdeckte. Die Täter bekamen eine kleine Bewährungsstrafe und ein paar Millionen Taiwandollar Strafe. Da eine Million Taiwandollaros nur 25.000 Euro hat, war das nicht wirklich viel.

Zwischendurch hatten wir dann den Melaninskandal, auch ein leicht toxisches Zeug in Milch und Milchpulver und allen Backwaren. Nach Monaten Milchabstinenz hatte ich dann endlich nach dem Melaninskandal eine Tüte Milch getrunken. Nur um sofort stark juckenden und entzündlichen Ausschlag inklusive dicker Ohren zu bekommen: es war zwischenzeitlich mal wieder ein anderer Giftstoff in der Milch, ich habe vergessen welcher.

Diesmal ist mein Magen dauergestresst, wir haben diesmal wieder den Flüssigkunststoff in Öl und Talg und ergo im gesamten Taiwanessen. Das kann man nicht alles aus den Läden räumen. Erstens sind die Taiwaner da viel zu pfiffig zu, kann man ja irgendwie alles weiterverkaufen. Und zweitens würde die Insel ja verhungern, wenn man alles Essen wegwirft. Manche Flüssigkunststoff-Artisten sollen diesmal angeblich in den Bau einfahren, weil sie schon zum zweiten Mal dabei sind. Parallel dazu haben wir Östrogen, Verhütungsmittel und Antibiotika im Essen, weil für Öl und Talg eine Fett genommen worden ist, das eigentlich für die Viehzucht gedacht war.

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Neu:  Haider wurde einst in Wix umbenannt oder was immer das war.
Und Taiwan heißt jetzt Toxiwan 
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Mit seinen langen Arbeitszeiten und grauen Wohnvierteln ist der Arbeitnehmer in Taiwan oft genug ja wirklich zur Arbeitsdrohne degradiert. Aber dass man ihn auch noch wie Zuchtvieh füttert, mit eben dem für Zuchtvieh vorgesehenen toxischen Mampf, ist superdreist. Auch ein gutes Argument gegen Fleischkonsum ist hiermit übrigens gemacht, um die Giftaufnahme zu reduzieren. Aber... am Gemüse sind bestimmt Schwermetalle. Die FDA jedenfalls hat die Tage gemeldet, alle taiwanischen Fertigtees seien krebserregend, weil die Vietnamesen (!) Schwermetalle auf den Plantagen dranpfeffern an den Tee. Der ja auch so gesund ist, wie ich hier auch schon im Blog geschrieben habe.

Wann sich mein Magen erholt weiß ich nicht. Einstweilen werde ich hier im Blog nicht mehr von Taiwan reden, sondern nur noch von Toxiwan, die Umbenennung ist im Gange.
Ach ja, zur Zeit ist gerade Lokalwahl. Überall glotzen die feisten Gesichter der selbstverliebten und sich selbt dienenden Politikerkaste von den Wänden, die nicht mal die elementarsten Funktionen von Politikern erfüllen: Zum Beispiel wenigstens die Schulwege sichern (30 km/h-Schilder auf Schulwegen oder sonstiges gibt es hier nicht) oder für ungiftiges Essen per funktionierender Kontrollstrukturen und höherer Strafen zu Sorgen. Stattdessen sind die Politiker innerhalb ihrer Korruptionsnetze mit den Mächtigen, eben auch den Nahrungsmittelherstellern verbandelt und verfiltzt.

Guten Appetit aus Toxiwan. Und wenn dies kein klassisches Taiwan... äh .... Toxiwankoller-Posting ist, dann weiß ich es nicht mehr. Schuld war nicht der Bossanova, sondern der Magen.

Und für Newbies nochmal: Das Seafood-Grünzeug - Essen mag noch so lecker und gesund sein, ist es dann aber doch nicht, wenn mit toxischen Fetten und Ölen gekocht.

Und die Taiwaner... äh ... Toxiwaner? Die grinsen derweil wie immer freundlich geduldig vor sich hin und futtern ihr toxisches Essen und wählen ihre korrupten Politiker. Guten Abend.


Ein paar Links dazu auf die Schnelle:

http://en.wikipedia.org/wiki/2014_Taiwan_food_scandal
http://en.wikipedia.org/wiki/2013_Taiwan_food_scandal
Update 2, noch ein Link: http://en.wikipedia.org/wiki/2011_Taiwan_food_scandal
http://www.bloomberg.com/news/2014-10-28/taiwan-food-scandal-forces-taipei-101-executive-out-of-post.html
http://sinosphere.blogs.nytimes.com/2014/10/30/taiwanese-tycoon-faces-charges-in-cooking-oil-scandal/?_r=0
http://www.asianews.it/news-en/Food-scandal-widens:-not-just-flour,-but-ice-cream-and-rice-28124.html
http://blogs.wsj.com/chinarealtime/2014/09/11/after-tainted-oil-scandal-taiwan-pledges-to-clean-up-food-safety/
.... und Ostern und Weihnachten fallen auf einen Tag


UPDATE: Während für "glasierte Ausschläge" vermutlich eigenartige chemische Zutaten im Essen wie z.B. Flüssigkunststoff verantwortlich sind, geht mein wochenlanges Magenleiden aber wohl auf das Konto von Salmonellen. Womit jetzt endlich Klarheit herrscht und der Genesungszustand eingeleitet werden kann. Vor Wochen hatte das Taiwan-TV gemeldet, man bekäme aus der Kombi von gebratenem Ei und Schinkenspeck Krebs. Ergo hatte meine Frau die lokale Braterin von fettigen Sandwichs (in einem kleinen Blue Truck vor dem Firmentore) gebeten, das Ei nicht mehr richtig zu braten. Somit lief mir heute Morgen beim Beißen in das Sandwich wieder mal rohes Eigelb direkt auf das blaue Hemd, was eigentlich ganz dekorativ aussah, mir aber doch zu denken gab. Die haben nämlich keinen Kühlschrank in dem Wagen für die Eier. Und die Magenbeschwerden, die nach Einnahme neuer Pillen weitgehend weg waren am Sonntag Abend, kehrten sogleich um ein vielfaches verstärkt zurück. Bestimmt hat Konfuzius irgendwann mal gesagt, dass man Eier schön warm lagern muss.

Donnerstag, November 13, 2014

Als Kleinunternehmer in Manila? (Update)

Ob was draus wird aus dem Auswandern auf die Philippinen steht noch in den Sternen. Aber hier schon mal ein paar Randbedingungen

Ich gebe es zu, im Gegensatz zur Eröffnung des kleinen Italieners in Taipei, den meine Frau und ich kurze Zeit mit anderen betrieben hatten, stehe ich bei der Planung unseres künftigen kleinen geschäftlichen Engagements in Manila fast völlig unbeteiligt daneben. Denn hier agieren meine energische Gattin und ihre ältere Schwester. Ein Concerto aus Tochter Nummero Drei und Zwei, bei so viel Drachenfeuer ist für mich einfach kein Platz mehr in der Planung. Was genau wir aufmachen wollen in einem Mittelklasse-Einkaufszentrum in Manila (typisch mit grimmigen schwer bewaffneten Herren vor stets piepsender Metalldetektorschleuse am Eingang des Einkaufszentrums) will ich nicht verraten. Denn wenn man tagelang im Einkaufszentrum war nur um den Einheimischen auf den Mund zu gucken und den Markt analysiert hat, dann will man das auch wieder nicht so ohne weiteres gratis weggeben. Jedenfalls soll es wieder ein kleines Restaurant oder eher ein "Diner" werden. Kein Italiener wie hier in Taipei, denn die Standards bei italienischem Essen in Manila sind sehr sehr hoch und das Angebot ist schon erschöpfend. Der angestrebte Kundenkreis ließe sich vielleicht als untere Mittelschicht klassifizieren. Der Deutsche stellt sich ja wohl vor, auf den Philippinen gäbe es nur Arme und Superreiche, aber das ist unrichtig. Warum wir nicht "nach oben" gehen vom Kundenkreis und der Restaurantklasse her? Nun, eine höhere Restaurantklasse bedeutet auch höheres Risiko und hohes Investment. Wir wollen einfach nicht so viel Geld auf die Philippinen tragen derzeit und uns fehlt die Erfahrung im Betreiben eines gehobenen Restaurants, ganz einfach.

 "Gated Community" der Mittelklasse in Manila. Miete für ein im Falle meiner Manilafamilie als Gewerbeobjekt ausgeschriebenes sogar dreistöckiges Reihenhaus 12.000 Pesos im Monat (Faktor 3/4 rechnet in NT um), also irgendwie über 200 Euro umgerechnet. Sie dürfen allerdings nur Gewerberegale reinstellen, sagt der Vermieter. Führt zu interessanter Einrichtung ;-)


Interessant fand ich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum Betreiben eines Einfachrestaurants in Manila und Taipei:

a) Preisspanne in Taipei um die 80-110 NT (durch 40 in Euro).
Preisspanne in Manila um die 160 Pesos (Faktor 3/4 rechnet es etwa in NT um) .... ähnlich

b) Essen in Manila in den Diners oft einfacher als in Taipei. Schlicht aber wohlschmeckend.

c) Personal in Manila ist noch billiger als in Taipei.

Mir ist klar, dass nach deutscher Denkart nun das "aber Du musst den Angestellten ganz tolle Arbeitsbedingungen mit ganz viel Sozialem bieten" kommt. Ich habe mich sogar für einen Sekundenbruchteil selbst bei diesem Gedanken ertappt, schließlich sind die Philippinen ein radikalkapitalistisches Land ohne Sozialsystem und ich war ja früher auch mal ein "richtiger" Deutscher. "Volldeutscher"* sozusagen.

 Typischer "Jeepney" auf Basis eines lokalen Jeeps, hier mit "Mercedes"-Anbau. Das Fahrzeug hat nur eine Frontscheibe, ansonsten sitzt man offen im Smog. Dient als Linienbus.

Es sollte sofort klar sein, wieso man nicht den Angestellten freiwillige Sozialleistungen bieten kann: Der Martpreis ist der Grund. Nicht so sehr die Kosten, sondern der Marktpreis. Denn platt gesagt, was würden einen hohe Kosten interessieren, wenn man sie sich vom Kunden wiederholen kann. Verkaufe ich einen Bentley oder habe ich ein Nobelrestaurant mit 100 Euro das Essen hat man sicher mehr Luft bei den Bauteilen oder Zutaten und den Kosten. Aber wenn ein komplettes Essen mit Vorsuppe und Gratiseistee 2 Euro umgerechnet kostet, dann muss man die Kosten hart kontrollieren und hat nichts zu verschenken. Sonst macht man schlichtweg Minus. Ein  Beispiel hierfür ist die Hausfrauenkocherei der Geschäftsführerin unseres ehemaligen Restaurants in Taipei die nur zu einem führte: Zum Minus. Weil sie nicht die Kosten pro Portion kontrolliert hat und das Personal nicht genau genug eingeteilt hat.

Bei 2 Euro umgerechnet pro Essen in Manila oder dergleichen habe ich also nur einen Bruchteil eines Euros an Gewinn pro Essen - der auch noch die Gemeinkosten tragen muss. Da kann ich die Gemeinkosten nicht noch mit bezahltem Urlaub, Krankenversicherung und Segelschein für die Angestellten in die Höhe treiben.

Dieser Jeepney ist ein "Geschenk von Gott" und die Philippinos mögen Gott sehr, bemerkte die Schwester meiner Frau. "Weil wenn Du Geld hast, bist du Gott. Hast du nichts, bist du ein Nichts."

Oh, jetzt höre ich die deutsche Leserschaft empört einatmen! Natürlich sollten auch die Philippinos eine gesetzliche Krankenversicherung haben, da bin ich ja auch der Meinung. Der Punkt ist nur, es gibt keine. Wenn es eine gäbe, dann wären die Gemeinkosten bei ALLEN Lokalen höher und dann wäre auch ALLE Preise höher und die Kunden würden es fröhlich bezahlen, denn sie profitieren ja selbst vom Sozialen wie eben in Deutschland. Oder eben auch in Taiwan, wo es eine gesetzliche Krankenversicherung gibt. Aber auf den Philippinen hat sich der Marktpreis für ein Essen im Einfachrestaurant eben NOCH NIEDRIGER eingependelt. Mache ich freiwillige Sozialleistungen, dann sind meine Kosten höher und mein Essen teurer und die Kunden gehen lieber zu Konkurrenz. Wass will Pedro Sanchez für die Sozialversicherung MEINER Angestellten zahlen, wenn er selbst keine hat?

 Allen Unkenrufen zum Trotz sind die Philippinos zur Zeit ein aufsteigendes Volk. Die Wirtschaft boomt, überall wird für neue Mittelklasseleute und neue Oberklasse-Pinkel neu gebaut. Das schafft auch Arbeitsplätze für die Unterschicht.


In Taiwan gibt es mehr Soziales und auch die Gehälter sind im Schnitt höher. Aber wir reden nun mal von Manila/Philippinen. Ein weiterer interessanter Punkt ist die unterschiedliche Arbeitshaltung der Angestellten in Taipei und Manila. Der Philippino arbeitet (jedenfalls in dieser Unternehmensklasse) nur, wenn er dazu angehalten wird, wurde ich gewarnt. Will sagen, steht der Chef oder sein vertrauenswürdiger Geschäftsführer nicht im Lokal, dann verfallen die Angestellten in eine Art Lähmung. Frau und ich haben das selbst erlebt. Da war ein Eisstand. Viel lecker Eis, schräg gegenüber von unserem geplanten Restaurant. Drei junge Frauen und ein junger Mann saßen da in adretten Firmenuniformen. Meine Frau wollte ein Eis bestellen.

"Mam, sorry, no ice!", sagte eine der jungen Damen, um dann sofort weiter zu schwatzen mit ihren Kollegen.

Meine Frau insistierte.

"No sorry Mam, no ice."

Meine Frau klärte die ja immer zumindest einfaches Englisch sprechende Crew darüber auf, dass sie an einem Eisstand arbeiteten und die Karte voller Eis sei.
Verlegenes Gekichere und wieder:

"No ice!"

Ich zog meine Frau weg und musste auch lachen. Das waren philippinische einfache Arbeitskräfte in voller Aktion. Die Schwester meiner Frau, die selbst ja bis vor kurzem noch eine Taiwan-Bubbletea-Kette in Manila hatte sagte dazu, die Leute am Eisstand würden nur arbeiten, wenn der Chef da sei. Sonst eben "no ice". Und das sei genau typisch für Philippinos.
Das Einheimischenbild meiner taiwanisch/chinesischen Manilafamilie, die also zu der ethnischen Gruppe der gesamt gesehen überdurchschnittlich erfolgreichen Sinophilippinos gehören (mit frischem Taiwanblut aufgefrischt seitens der Schwester meiner Frau)  ist daher sehr negativ. Schnell redet man von von phlegmatisch und faul, aber ich denke die Situation ist mehr durch die Gesamtbedingungen des Marktes festgeschrieben. Im Prinzip wird der philippinische Arbeiter und Angestellte ausgebeutet, d.h. er arbeitet lange ohne soziale Absicherung, 6 Tage die Woche sind wohl die Regel. Und sein Gehalt ist gering. Da hat er wohl auch wenig Antrieb freiwillig hart zu arbeiten. Gäbe es Gewerkschaften und Soziales und könnte er sich aus der Lohntüte mehr leisten, dann würde er wohl auch lieber arbeiten.

Weitere Dinge die zu beachten sind:  Gehalt nicht monatlich, sondern wöchentlich auszahlen. Trotzdem kommt es immer wieder vor, das Angestellte unter der Woche wieder Gehaltsvorschuss einfordern, weil sie nicht mehr genug "zum Essen" haben. Ob in der Familie jemand krank war oder das Geld einfach für Spaß und Freude ausgegeben worden ist, weiß man natürlich nicht. Der Fahrer meiner Manilafamilie dort hat jedenfalls immer Geld für Zigaretten, bemerkte das Schwesterherz meiner Frau, aber oft unter der Woche kein Geld mehr fürs Essen. Zahlt man monatlich, haben die Angestellten oft schon in der ersten Woche angeblich kein Geld mehr und würden dann auch nicht mehr zur Arbeit kommen, wenn man ihnen kein neues Handgeld gäbe.

Vorführwagen vom BMW-Händler "Prestige Cars". Wir würden wohl nicht mal unseren Volvo mitnehmen nach Manila, damit wir nicht so auffallen.


Interessant die Warnung eines "deutschen Nachbarn" hier in Taipei, der geschäftliche Erfahrungen in Manila mit mir geteilt hat: Philippinos wollen sich von Ausländern oft nichts sagen lassen.

Ob wir uns da engagieren oder nicht hängt jetzt vom Gang der Dinge vor Ort ab, was von Schwesterherz wahrgenommen wird. Der Entscheidungsweg des Managements des Supermarktes, ob man eine Parzelle dort bekommt oder nicht soll immer 6 Monate dauern und man wird dann wohl nach dem Zufallsprinzip angenommen oder abgelehnt wenn die Wartezeit abgelaufen ist. Wird man abgelehnt, kann die Parzelle trotzdem noch Jahre leer stehen. Die haben es dort nicht so eilig, das ist auch etwas, auf das man sich einstellen muss. Ein zweites "Business" wollen wir dort auch noch eröffnen, wenn es denn etwas wird. Schauen wir mal.

 Die wäre Oberklasse, die würde nie bei uns essen. Viel zu teuer, so ein Weib. ;-)


Die Chaoskomponente ist momentan für mich, dass die Aufmerksamkeitsspanne und Begeisterungsfähigkeit meiner Taiwanfamilie (hier Frau und Schwester) eben durchaus von Volatilität geprägt ist. Gut möglich, dass in 6 Monaten kein Hahn mehr nach der Planung von heute kräht. Genauso, wie auch das Eröffnen eines italienischen Restaurants in Taipei längst wieder Schnee von Übervorgestern ist.

UPDATE: Eine Rentenversicherung immerhin scheint es zu geben. Aber diese Feinrecherche wird noch folgen.

* Volldeutscher als neues Schimpfwort ;-) ?

Mittwoch, November 12, 2014

Schuheinlagen statt Herz-OP

Der Abschluss einer verwirrenden Medizingeschichte in Taipei

Hinsichtlich Taiwans Ärzten bin ich ein gebranntes Kind - die haben schnell eine Fehldiagnose bei der Hand die oft zur baldigen OP führen soll. Ob das Unfähigkeit oder Oberflächlichkeit ist, die natürlich nur manche der Medizyniker hier an den Tag legen überlasse ich gerne der Diskussion, sicher ein Grund für den geneigten Leser, sich heftig aufzuregen oder wenigstens "Aber in Deutschland haben sie doch neulich auch einem den Kopf abgeschnitten statt den Blinddarm" zu erwähnen. Kann ja auch mal passieren.

Ich jedenfalls hatte bei der 2-jähirgen gesetzlich vorgeschriebenen betrieblichen Personaluntersuchung schon vor über zwei Jahren die Diagnose bekommen, leichte Herzrythmusstörungen gehabt zu haben, was aber weiter kein Grund zur Besorgnis wäre. Dieses Jahr dann schlug die Ärztin Alarm, meine Pumpe wäre so aus dem Tritt, dass ich zur Nachbehandlung müsste. In der Tat meinte ich einfach nur eine leichte Verspannung linksseitig zu bemerken, manchmal jedenfalls - und wollte das Thema auf sich beruhen lassen.

Die werte Gattin war jedoch besorgt und schleppte ihren unwilligen Teutonen zum Herzspezialisten in das einschlägig von mir bekannte Tri-Service-Hospital in NeiHu, das tatsächlich ein (für die Allgemeinheit offenes) Militärhospital ist. Der Doc dort horchte kurz an Ludigels Pumpe und meinte, das Ding sei völlig in Ordnung. Tuckerte eben brav und gleichmäßig vor sich hin. Und wenn es denn manchmal doch ein bisschen springen würde, das sei normal und käme bei fast allen Menschen mal vor. Ich kenne das ja wirklich, Frau das erste Mal gesehen, neues Auto rollt aus der Halle beim Händler, Junior wird geboren oder man sieht ein frisches Graubrot beim deutschen Bäcker in Taipei, solche Sachen halt.
Doch weil ich Ausländer sei, sagte er, wolle er ganz sicher gehen und verschrieb mir eine gruselige große schwarze Box, die unter Kichern der Krankenschwester wie viele Haare ich am Oberkörper hätte, x-mal verdrahtet wurde bei mir und die ich nervige 24-Stunden tragen musste.

Während ich mit der Box von Philips genervt auf dem Sofa saß, musterte mein dreijähriger Sohn die Box interessiert und drückte dann auch noch den Alarmknopf. Der sollte Momente des Unwohlseins für den Doc hervorheben.

Prompt passierte es, Doc sah die Skala auf seinem Monitor und diagnostizierte, ich hätte zu große Aussetzer und würde ein Herzmedikament benötigen. Mit einer dicken Packung herrlich bunter Pillen ausgestattet reiste ich dann verdattert nach Hause. Erstens Mal hätte ich gedacht man müsse erst mal ein Belastungs-EKG machen. Schließlich rase ich bei uns in der Firma immer die 6 Stockwerke zu meinem Cubical zu Fuß hoch der Körperertüchtigung halber und fühle mich dabei kein bisschen unwohl. Und zweitens konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, nun Herzkrank zu sein um von nun an wie einst mein Großvater immer meine Herzpillen schlucken zu müssen.

Die genommenen Pillen hatten dann auch eine merkwürdige Wirkung. Vor der Einnahme ging es mir glänzend, nach der Einnahme hatte ich ein merkwürdiges Ziehen in der Herzgegend. Na das war ja ein prima Zeug. Das übrigens in Deutschland und den USA längst vom Markt genommen war, der heftigen Nebenwirkungen halber. Sofort setzte ich das Medikament ab, sehr zum Ärger meiner Frau, die von der guten Fürsorge der taiwanischen Ärzte und meiner arroganten Widerborstigkeit redete, da ich wohl nur deutschen Ärzten zutrauen würde mich richtig zu behandeln und nicht den taiwanischen. Mehrere Tage lang hing der Haussegen schief, HIER beschrieben und am Ende redete meine Frau schon von einer Herzoperation. Die Vorstellung einen der leichtfertigen Taiwanärzte mit dem Messer an meinen vitalen Teilen herumschnippeln zu haben war so grauenhaft, dass sie heftigste Gegenwehr bei mir - will sagen sarkastische Bemerkungen über den werten Herrn Doktor - auslöste. Prompt sagte meine Frau den nächsten Termin ab und ich bemerkte, dass es mir nach einigen Tagen wieder prächtig ging. Als das Medikament aus dem Körper war, funktionierte die Pumpe wieder wie sie sollte.

Trotzdem war da diese leise Befürchtung, es könne doch etwas dran gewesen sein an den Diagnosen, auch wenn das Medikament offensichtlich völlig ungeeignet war. Ich wollte schon einen Termin bei einem Kardiologen in  Deutschland machen, da fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren, Stinky Tofu vom Garküchenwagen oder wie auch immer:

Ich war auf der ganzen linken Seite verspannt!
Besonders im linken Bein.
****** in sich rein horch ****
Besonders im linken Fuß
****** grübel ******
Ich hatte seit geschlagenen 4 Jahren die selben orthopädischen Schuheinlagen, die insbesondere für den ... räusper ... Plattfuß linksseitig waren. Und die Schuheinlagen muss man eigentlich alle halbe Jahre spätestens wechseln.

Also schnell im Schuhschrank gesucht, einst bei Karstadt gekaufte BERGAL PERFECT PLUS Schuheinlagen gefunden. Nicht vom Orthopäden aber immerhin. Sofort in den Schuh getan und losgelaufen. Ein Erlebnis wie .... wie eine Komplettmassage. Mit jedem Schritt entkrampfte sich die linke Seite, ich bemerkte richtig, wie sich ein Verspannungsknoten im Rücken links auf Herzhöhe löste. Meine mich seit Wochen quälenden Kopfschmerzen verschwanden und .... ich sprang wie ein junger Spring-ins-Feld durch die grauen Gassen meines taiwanischen Schlichtwohnviertels, sehr zur Verwunderung der graugesichtigen älteren Leute dort, die gerade dabei waren schwermütig in dem alten Soldatenviertel dem Exdikatatur Chiang-Kai-Shek nachzutrauern. Und jedes Ziehen linksseitig erledigte sich dann im Laufe der folgenden Tage.

Bergal sei Dank ist auch meine Frau mit der Erklärung zu frieden, ich habe gleich eine Massenbestellung Schuheinlagen bei Ebay aufgegeben und der Haussegen ist wieder hergestellt. Gibt es irgendwo im Internet einen Bergalfanclub?  10.99 Euro sind jedenfalls besser als jede Herz-OP durch einen Taiwan-Doc. Ich frage mich erschreckt, was die da wohl hätten herumschnippeln wollen am gesunden Herzen? Und was die Medikamente angerichtet hätten.   

Eine merkwürdige Geschichte, was einem wohl nur passieren kann, wenn man aus gewohnten Versorgungszirkeln herausgelöst wird als Expat.

Mittwoch, November 05, 2014

Der Familienbetrieb: Die schonungslose Wahrheit

Schluss mit den Nebelkerzen. Hier ist die ganze Wahrheit. Ein Ausflug in die kulinarische Unternehmerszene Taipeis. Natürlich mit eigenem Restaurant als Testfall. Nur in Ludigels Taiwanblog ;-)

Wird evtl. noch bebildert

Der "Familienbetrieb" von meiner Frau und mir wurde schon mehrfach im Blog angesprochen, wenn auch ohne zu sagen, worum es eigentlich ging. Einfach um meine Bloggerperson von der Privat- und der damals möglicherweise öffentlich wahrnehmbaren Geschäftsperson zu trennen. Der Familienbetrieb war einfach ein kleines italienisches Restaurant. Motivation für die "Nebelkerzen" bei dem Thema waren sicherlich die zahlreichen Shitstorms die Taiwans Presse immer wieder gegen einzelne Ausländer loslässt - unter anderem auch gegen Restaurantbetreiber. Und der Gedanke, die ein oder andere negative Berichterstattung über mein geliebtes verschmuddeltes Taipei könnte da irgendetwas auslösen. Aber heute ist klar, ein neues Restaurant werden wir in Taiwan nicht eröffnen. Daher kann jetzt Klartext geredet werden. Hier noch mal eine Sammlung alter Artikel zum Thema:

Die Anfänge:
http://osttellerrand.blogspot.tw/2013/07/familienbetrieb.html

Mittelteil:
http://osttellerrand.blogspot.tw/2013/08/ex-familienbetrieb-tratsch-und-klatsch.html

Kurz vorm Ende:
http://osttellerrand.blogspot.tw/2013/08/ruckzug-aus-familienbetrieb.html

Das Ende:
http://osttellerrand.blogspot.tw/2013/10/ex-familienbetrieb-vor-der-schlieung.html


 Am Anfang der Geschichte stand, dass meine Frau unbedingt ein Restaurant oder einen kleinen "Diner" eröffnen wollte. Auch gerade weil in Taiwan Leute Mitte Vierzig oft aus den Unternehmen gedrängt werden um unerfahrenen am Arbeitsplatz einschlafenden Spätteenagern Platz zu machen. Denn Taiwan hat in der Computerbranche noch einen extremen Jugendkult. Wer es bis Mitte Vierzig nicht ins Management geschafft hat, steht oft ohne Jobperspektive plötzlich auf der Straße. Und was macht man dann? Richtig, oft macht die Frau eine der zahllosen Garküchen oder kleinen Restaurants auf und Menne fährt dazu Taxi. Das ist Teil des Wirtschaftswunders in Taipei, bei dem man sich wundert, dass so viele Fressbuden ihre Kunden finden und alle irgendwie ihr Auskommen haben.

 So leckere Nudeln hätte niemand bezahlen wollen. Die Kunden hatten lieber Fertigsoße aus dem Eimer und die Nudeln bitte taiwanisch weichgekocht


Schnell wollte meine Frau loslegen, ein kleines italienisches Restaurant in unserer Nähe namens Apollo stand zum Verkauf und meine Gattin wollte sofort das Lokal neu durchstarten lassen. Da kamen natürlich meine langweiligen Einwände. Nämlich, dass sie nicht kochen kann und wir beide nichts von der Gastronomie verstehen und außerdem ja nun "Management" sind in der Firma, im kleinen oder mittleren, was auch immer. Doch weil meine Frau nicht zu bremsen war, ließ sie sich dann auf mein Konzept mehrschichtiger teutonischer Absicherungen ein und (a) besuchte sie einen italienischen Kochkurs der, ganz taiwanisch-pfiffig die Leute gleich auf das Eröffnen eines der zahllosen kleinen italienischen Schlichtrestaurants in Taipei vorbereitete und (b) suchten wir nach einem kleinen Restaurant, damit das Kapitalrisiko gering war.

Zu den "Italienern" Taipeis muss man wissen, dass es sich um oft recht simple und schmucklose kleine Diner handelt, in denen oft nur Spagetti und andere italienische Nudeln in aus großen Kübeln entnommene Soßen getunkt werden und fertig ist die Mahlzeit. Risotto gibt es noch und fast alles mit Seafood. Der große Renner in solchen Lokalen ist eine chinesische Seafood-Suppe, bei der statt chinesischer Nudeln (die etwas weicher wären) ziemlich weich gekochte Spagetti drin herum schwimmen. Die Suppe besteht fast nur aus Tobasko, so mögen es die Taiwaner.


+++++++++++ Lesetipp
 Wie es südostasiatischen Fremdarbeitern in Taiwan ergehen kann: Giftige Schwaden am Arbeitsplatz, kein Arbeitsschutz und kein Recht auf Kündigung, keine ordentliche medizinische Behandlung. Lesetipp aus Andreas' Blog: https://andreasintaiwan.wordpress.com/2014/07/14/die-woche-dienstag/  +++++++++++


Rotwein? Nein, es gibt keinen Alkohol in Taipeis Schlichtrestaurants. Minnistrone?  Davon haben die Wirte, die alle Taiwaner sind, nie gehört. Diese leckeren krossen Weißbrothappen mit Tomate drüber (Bruscetta oder wie das heißt)? Saltimbocca a la Romana? Irgendwelche anderen Hauptgerichte mit Fleisch? Lachs auf irgendwas? Forelle unter irgendwas? Aufläufe? Pizza?

Nun, gibt es alles nicht, außer manchmal einer Pizza-Karrikatur, oft in Untertassenformat. Die Pläne meiner Frau waren jedoch weitgehender, hatte sie doch komplett und sehr gut italienisch und europäisch kochen gelernt. Fielen aber in der Folge der Realisierbarbeit zum Opfer. Schnell fand sich jedenfalls ein kleines und ideales Restaurant, "Jill's Happy Kitchen" bei uns ganz in der Nähe:

http://tokokou.pixnet.net/blog/post/33037847-%E9%96%8B%E6%9C%97%E5%B0%91%E5%A5%B3-jill%27s-happy-kitchen

Mittlerweile hat das Lokal mehrfach den Besitzer gewechselt, die nette Jill auf dem letzten Foto, wir oder unsere Nachfolger haben also mit dem heutigen Lokal nichts mehr zu tun. Das Lokal ist übrigens extrem beengt, hatte nur vier Tische und noch einen Klapptisch neben Tresenplätzen, war aber nett aufgemacht und die italienischen Gerichte waren etwas originaler als bei anderen. Es gab Spagetti mit ungewöhnlich viel Käse überbacken und sogar eine Spagettivariante mit einem wohl nicht ganz original italenischem Schnitzel oben drüber geworfen. Die reichliche Käseverwendung machte das Lokal etwas originaler, das Essen war reichlich und deftig und von mittlerer Geschmacksqualität nach meinem verwöhnten Gaumen, der gute italienische Restaurant in Deutschland gewohnt war. Alle Gerichte kosteten 110 NT oder weniger (durch 40 in Euro), also 2.50 Euro pro große Portion maximal. Schlichtrestaurants in Taipei sind billig und dieses hier auch, auch wenn es von der Ausstattung her und der Reichhaltigkeit der Karte etwas besser war.

Da die Betreiberin ein Kind bekam, zog sie sich aus dem Restaurantgeschäft zurück und arbeitete uns noch ein. "Uns" das waren die Frau eines netten Kollegen, meine Frau und mein "Quasineffe" mit seinen jugendlichen 16 Jahren. Übernommen haben wir ferner das feste Personal des Lokals, also einen von zwei Hauptkräften (einer hat sofort gekündigt) und eine Halbtagskraft.

Der Plan meiner Frau war, das Ganze bald zu einer ganzen Restaurantkette auszubauen, wobei das kleine Lokal zunächst als Keimzelle und Lernobjekt dienen sollte - hier merkt man wieder meine etwas risikoscheue Handschrift. Dazu war eine Gruppe von Investoren gefunden, die neben Frau und mir aus der Gattin "Shaowu" (Name geändert) des Kollegen (und ihm natürlich) und zwei weiteren Familien bestand. Diese sollten alle aus dem Gewinn des Lokals bzw. der späteren Kette ihren Gewinnanteil bekommen und ggf. gegen Gehalt auch Geschäftsführer der Lokale werden. Das erste kleine Lokal, "Jill's Happy Kitchen" sollte von Shaowu geführt werden, gegen 20.000 NT kleines Geschäftsführergehalt. Plus natürlich dem Anteil von ihr und ihrem Manne an der Gewinnausschüttung.

Mein Einwand kam sofort: Da die besagte "Shaowu" nicht nur ein missmutiges Naturell hatte, sondern auch noch eine berufliche Karriere als Backwarenverkäuferin vorzuweisen hatte (seit Jahren Hausfrau) schwante mir, dass sie der Versuchung, so ein kleines Lokal allein zu übernehmen, nicht würde widerstehen können. Nach dem Motto: Hier stehe ich im Laden, also ist es meiner. Zwar war der Mietvertrag des Lokals nicht auf ihren Namen geschlossen als Vorkehrung, aber trotzdem erschien mir diese Wendung der Dinge wahrscheinlich. "Unsinn", sagte meine Frau. "Du kennst uns Taiwaner nicht, so gehen wir nicht mit einander um, wir vertrauen einander." Dabei kenne ich sie ganz genau die Taiwaner und weiß, wie sehr sie immer einer vermuteten Geldquelle hinterher jagen wie der Teufel der 1000-Seelen-zum-Preis-von-einer - Packung im Sonderangebot.

Alles lief nach Plan und Jill wies primär Shaowu und ein bisschen meine Frau und den Lieblingsneffen in die Zubereitung der Nudelgerichte etc. ein. Staunend stellten wir fest, dass in dem Lokal das Gemüse nicht gewaschen wurde. Einfach raus aus dem Marktkorb und rein ins Essen! Diesen Teil der Prozedur haben wir dann nach Übernahme sofort geändert.

Wie ging es dann, als Jill sich verabschiedete und unsere Crew aus Shaowu, Vollzeitkraft, Halbtagskraft und Quasineffen nebst dem aushelfenden Gatten "Will" von Shaowu bei der Zubereitung der Gerichte allein waren? Die Situation in Stichworten:

- Großer Materialschwund, der ein schwarzes Loch in der Küche vermuten ließ. Ich hatte das auch gleich zu Anfang prognostiziert. Shaowu erklärte, eben nach Hausfrauenart ordentlich was ans Essen zu schnippeln und eine gut gefüllte Kühltruhe für Notzeiten zu haben.

- Stammkunden, die ihr ererbtes Recht auf ein zweites Hauptgericht für nur 25 NT statt 80-110 NT energisch einforderten.

- Schlechte Stimmung bei Shaowu, die sich beschwerte, als Geschäftsführerin deutlich weniger Lohn als die hauptberufliche Kraft zu erhalten (derjenige hatte allerdings immerhin eine abgebrochene Kochlehre vorzuweisen).

- Schlechte Stimmung bei Shaowu, weil sie in der Startphase des Lokals 7 Tage die Woche im Laden stand. Zu hatten wir nie. Und dann führten wir auch noch die Öffnung zu Mittags ein. Vorher hatte das Lokal nur abends geöffnet.

"Schlechte Stimmung bei Shaowu" war in der Folge das Motto des Lokals, das man also "Shaowu´s Angry Kitchen" hätte nennen sollen. Und wie sahen die Kosten aus? Nun, es zeichnete sich in den ersten 2 Wochen ein gewaltiges Minus von 20.000 NT ab, freilich nach Entlohnung aller Kräfte inklusive Shaowu.
 Tendenz steigend. Und ich fasste für mich den Leitsatz "never order the Schnitzel", denn für 110 NT konnte man wirklich kein richtiges Schnitzel auf die reichliche Portion Spagetti Bolognese mit Käse werfen, dazu war Fleisch zu teuer. Jill und auch wir mussten also notgedrungen eine Art "Paniertes Nichts mit Fleischandeutung" servieren.

Jetzt kam die zweite Runde, das Managementtalent meiner Frau entfaltete sich. Die notwendigen Zutaten wurden abgewogen pro Portion und daraus der Materialverbrauch für die Woche festgesetzt. 10 Essen am Tag verkaufen und Zutaten für 20 oder 30 der Investorengesellschaft in Rechnung stellen ging nicht mehr. Shaowu war außer sich! Ich hoffe im Nachhinein, dass in ihrer Familie in dieser neuen Phase der Zutatenkontrolle niemand Hunger leiden musste. Okay, okay vielleicht war es ja nur die Kühltruhe.
Auch der Personaleinsatz wurde gestrafft. In den Totzeiten, wenn etwa mittags nur zwei einsame Kunden aufkreuzten, stand sich die Komplettbesatzung des Lokals die Beine in den Bauch und munter wurden Überstunden aufgeschrieben und vergütet. In der Folge wurde die Personalanwesenheit an den Umsatz angepasst.
Zusehens verschlechterte sich die Stimmung zwischen Shaowu und meiner Frau. Letztere war übrigens als Obermanagerin der geplanten Kette von Anfang an vorgesehen und gab daher Shaowu ihre Anweisungen, die mehr für den operationalen Betrieb der ersten Filiale zuständig war. Shaowu wollte weiter nach Hausfrauenart ohne Mengenkontrolle kochen und immer alle Leute im Lokal haben, damit weniger Stress war. Meine Frau hat allerdings Diplomatie nicht gerade als ihre Stärke und so waren unter der Lokaldecke permanent dunkle Dampfwolken und Blitze zu erkennen.

Wie sah es nun finanziell aus? Der zweite Monat wurde schließlich mit einem Plus abgeschlossen und der dritte brachte 19.000 NT Überschuss, die an die 4 Investorenfamilien inklusive Shaowu und Gatten ausgezahlt wurden. Das Lokal war auf dem richtigen Kurs.

Nun kam Phase 3, hier sollte nach Planung meiner Frau die Qualität des mittelprächtigen Essens angehoben werden bei minimaler Steigerung des Preises. Ferner sollten Premiumgerichte zu deutlich erhöhtem Preis eingeführt werden, ich selbst sollte als "ausländischer Werbeträger" auftreten und ein Bringdienst nebst Belieferung der Computex Computermesse, die gerade stattfand, sollte her.

Um es kurz zu machen, Phase 3 war ein ziemliches Desaster. Wir verbesserten die größtenteils aus Fabrikfertigsaucen bestehenden Nudelsaucen mit frischen Zutaten, peppelten das schwindsüchtige Schnitzel etwas auf und führen leckeres "Cordon Bleu" als Premiumgericht ein. Die Preise mancher verbesserter Gerichte erhöhten wir ganz minimal von 110 NT auf 115NT und das Premiumgericht sollte 160 NT (also etwa 4 Euro) kosten. Ich benutze den Konjunktiv, weil es nicht ein einziges Mal bestellt worden ist. Die Kunden flüchteten in Scharen! Wir lernten, dass solche einfachen Diner einen ganz klaren Festpreis hatten. Konkurrent PingLu nimmt 110 NT für die teuren Gerichte und popelt beim Zubereiten, aber wenn wir auch sauber und netter waren und echtes Tomatenmark dran hatten: den Leuten war ausschließlich der Preis wichtig. Qualität ist in dieser Restaurantklasse völlig nebensächlich. Schlichtrestaurants sind also als reine Costcenter zu betreiben, bei denen der Marktpreis fix ist und man muss die Kosten so kontrollieren, das man Gewinn macht!
Bringdienst: Kaum Bestellungen, bei solchen Schlichtrestaurants holen sich die Kunden, die ausschließlich in der Nachbarschaft leben, ihr Essen selbst ab oder essen im Lokal.
Firmen, die wir mit Werbeflyern versahen oder gar die Computex, die angeblich von Will mit Werbeflyern und Speisekarte überflutet worden war, führten zu exakt Null Bestellungen. Das grenzte schon an ein Wunder und ließ mich vermuten, dass Shaowu und Will hier Sabotage betrieben, denn jetzt kam die Phase 4, in der Shaowu zusehens destruktiver wurde.

Sie klagte über zu hohe Arbeitsbelastung, mittlerweile hatte sie eine 5Tage-Woche aber sollte noch wochenendlich zu kurzen Checks im Lokal erscheinen und ihr wurde in Aussicht gestellt, die 5 Tage gegen 4 Tage zu tauschen, quasi als Freizeitausgleich für die Wochenendkontrollen. Alles zu viel, Shaowu  fiel durch laufende hysterische Weinkrampfanrufe bei meiner Frau auf, die schon Telefonterror glichen. Die Angestellten des Lokals bemerkten, dass Shaowu den Kunden patzige Antworten gab und auch die letzten wackeren Esser langsam das Lokal mieden. 

Vorgesehen für das Lokal war nun im 3:1 - Beinahekonsens der Investoren, das Lokal zu schließen und die hübsche Einrichtung (insbesondere Herd, Tresen etc.) in ein größeres leerstehendes Lokal zu verfrachten, das dann, wieder im Niedrigpreissegment, dank mehr Tischen einen größeren Gewinn einfahren könne. Eine zweite und dritte Filiale sollten dann später folgen. Allerdings trat Shaowu zu diesen Plänen in starke Opposition und bestand auf den Erhalt ihres Schimpf- bzw. Arbeitsplatzes, so dass anfangs noch die folgenden Szenarien diskutiert worden waren:

a) Shaowu bleibt Chefin der Filiale 1 wie gehabt und Filliale 2 wird mit neuer Geschäftsführerin eröffnet.
Shaowu erklärte hierzu, an künftigen Filialen nicht beteiligt werden zu wollen.

b) Shaowu betreibt Filiale 1 als reine "Soßenfabrik" und liefert die verbesserte Nudelsoße an die künftigen Filialen.
"Shaowu seien dagegen sähr."

Shaowu trat nun in eine Art renitente Totalopposition, verweigerte im Wesentlichen jedwede Arbeit, weigerte sich, eine Nachfolgerin einzuarbeiten und erschien höchstens noch zum Stunk machen im Lokal. Trotz nicht mehr geleisteter Arbeit beschwerte sie sich ständig über Überarbeitung, was in der telefonischen Drohung an meine Frau gipfelte....

"Wenn ich durch einen Herzinfarkt wegen dem Stress sterbe,  schwebe ich als Geist nachts bei deinem Mann und dir unter der Schlafzimmerdecke und raube euch den Schlaf!"

Das war die lustigste Drohung, die ich je gehört habe in meinem Leben, allerdings war Shaowu nicht hübsch genug, um sie mir jeden Abend unter der Schlafzimmerdecke ansehen zu wollen. Ergo entschied meine Frau nun, dass es an der Zeit war, dass ShaoRumschimpf nun das Lokal allein übernahm. Schlagartig verbesserte sich ihre Stimmung, nach langen zähen Verhandlungen zahlte sie die anderen Parteien aus und die anderen drei Parteien inklusive meiner eigenen gingen sogar mit leichtem Plus aus der ganzen Geschichte raus. 100.000 NT hatte wohl jeder im Lokal, was aber teilweise noch auf der Bank auf einem Geschäftskonto war.

Shaowus Stimmung blieb aber nicht lange gut. Bar jeder Kostenrechnung und Zutatenabwiegung ging der Gewinn langsam aber stetig gegen Null, so dass am Ende nur noch 4000 NT an "Geschäftsführergehalt" nach Begleichung aller sonstigen Kosten drin waren. Die erforderlichen Marketingmaßnahmen, um durch ein verbilligtes Tagesgericht etc. die durch die Preiserhöhung verlorenen Kunden wieder zurück zu gewinnen wurden natürlich nicht mehr umgesetzt - weil Frau und ich mit dem Lokal nichts mehr zu tun hatten. Shaowu bat dann sogar meine Frau wieder, das Obermanagement zu übernehmen. Das lehnten wir aber ab und am Ende verkaufte das Betreiberpaar das Lokal mit etwa 60.000 NT Verlust. Es existiert wohl noch heute mit neuen Betreibern, die sicher lecker Essen haben (ich war freilich nie wieder dort).

Schlecht war das Essen nie, ab dem Gemüseputzen, also gehen Sie doch mal Essen in Ludigels ehemaligem Ristaurante ;-)

Für Interessierte: Wir hatten damals 200.000 NT Abstand inklusive 2 Monate Anlernkurs für das gemietete Lokal gezahlt, die Miete lag wohl bei 20.000 NT monatlich, wenn ich mich recht erinnere. Also auf, jetzt wissen Sie wie es (nicht) geht, mit dem eigenen Ristaurante in Taipei.

Die Schwester meiner Frau hatte nun in der Zwischenzeit eine erfolgreiche Gastronomiekette in Manila auf den Philippinen betrieben und so soll der "Familienbetrieb" dort  (freilich nicht als Italiener) demnächst in eine neue Phase gehen. Warten wir es ab.


Dienstag, November 04, 2014

Lucy (2014), der große Film über Taiwan

oder was hollywoodisiertes französisches Kino dafür hält

Als der Film "Lucy" noch  gedreht wurde und sich die Filmcrew über Taiwans wilde Journalisten beschwerte, die beim Dreh in Taipei die Fahrzeuge des Filmteams mittels noch wilderer Taxifahrer verfolgten, da waren meine Erwartungen sicher niedrig genug. Nicht wegen der Taxigeschichte, sondern weil Hollywood (auch wenn es hier Frankreich in einem mit Morgan Freeman hollywoodisierten Streifen ist) nicht gerade den Ruf hat, mit Fakten besonders sorgsam umzugehen. Trotzdem hat der Film das deutsche Prädikat "besonders wertvoll" erhalten und muss also gut sein.

Was können wir, wenn wir wie viele Zuschauer das tun werden, den Film einfach mal verallgemeinern, von "Lucy" lernen? Im Wesentlichen spoilerfrei die Aufzählung, von kleineren Randfakten abgesehen. Der Spoilerteil ist unten gekennzeichnet.

 Sehen Sie hier eine "koreanische Drogenproduktionsanlage mit riesiger Zentrifuge" mitten in Taipei? Dann sollten Sie sich den Film "Lucy" unbedingt ansehen!


1.) Taipei, wo der Film anfangs spielt,. ist so eine Art Antithese zum beschaulichen Leben des Urmenschen und dem Geschenk der Schöpfung, wo hektische Leute auf engstem Raum einen hektischen Alltag aus Turbofresserei und Herumrasen mit dem Moped und Toyota leben. Hier schüttelt der Taiwan-Neuling mit seinem glorifizierten Taiwanbild den Kopf und der langjährige Taiwanexpat nickt heftig. Doch mit dieser Initialeinstellung des Films ist der wertvolle lehrreiche Teil des Films auch schon vorbei.
Faktencheck: Taiwan ist natürlich auch ein gastfreundliches sicheres Land, aber OK, ein Film will ja seine Geschichte erzählen und ist nicht mit dem "Lonely Planet"-Reiseführer identisch.

2.) Taiwan ist als asiatisches Land natürlich eine Drogenexportnation, denn im Film will der Drogenboss ja mittels Englischlehrern (eine solche soll die Hauptdarstellerin sein***) Drogen aus Taiwan in den reichen Westen RAUS transportieren. Klar, asiatische Länder sind immer irgendwelche Drogenhöllen und so sicher auch Taiwan, suggeriert der Film.
Faktencheck: Taiwan hat wegen Insellage und strenger Kontrolle wenig Drogen auf dem heimischen Markt, deswegen hohe Binnenpreise. Und immer wieder werden Ausländer, häufig in finanzielle Schwierigkeiten geratene deutsche Residente in Thailand, als Drogenkuriere angeworben um über Bangkok Heroin nach Taiwan REIN und nicht etwa raus zu bringen. Taiwan ist keine Drogenexportnation sondern das Gegenteil.

3.) Taiwan hat offenbar mächtige koreanische Gangster im Lande, die hier in Taipei eine große Nummer sind und die, obwohl nur koreanisch sprechend, keine Probleme haben mit den lokalen taiwanischen Gangstern zu reden, die nur chinesisch sprechen.
Faktencheck: Taiwanische oder auch (VR-)chinesische Gangster gibt es sicherlich in Taipei, Südkorea ist ein ganz anderes Spielfeld, das mit Taiwan nichts zu tun hat. Aber vermutlich verfuhr man hier nach dem Prinzip "Asien ist Asien". Ein Wunder, dass die Koreaner nicht noch "banzai" schreien. Der Zuschauer wird es meist nicht merken, sondern sieht nur irgendeine asiatische Stadt mit irgendwelchen asiatischen Gangstern. Passt doch.

4.) Taiwans Expats sind junge Englischlehrer, wo die Frauen heiße Feger und die Kerle alles Drogenwracks mit fauligen Zähnen etc. sind.
Faktencheck: Ein Teil der Englischlehrerszene nimmt gerne weiche Drogen.

5.) Taiwans Wirtschaft kann nur kopieren. Da gibt es einen längeren Dialog zu und der Cowboyhut eines Englischlehrers wird als Beweis vorgezeigt. "Made in Taiwan".
Faktencheck: Taiwan ist ein Hochtechnologieland, das unter anderem die meisten Computer der Erde als "Ingenieurbüro" entwickelt - in Zusammenarbeit mit Ingenieuren aus den USA oder Japan und manchmal auch Deutschland, je nach Projekt. Die alte Billigindustrie Taiwans ist seit den 90ern spätestens passe und die Produktfälschungen, die in Taiwan in der Tat selbstverständlicher sind als im "Westen", sind fast immer aus der VR-China eingeschleust/importiert.

Im Folgenden wird dann unsere Drogenkurierin "Lucy" Dank der neuen Superdroge zu einer Art Superheldin und geht auf einen mäßig sehenswerten Rachefeldzug, was Standard-Hollywoodkino ist. Sowie der Film Taipei verlassen hatte, fand ich ihn etwa in Paris oder sonstwo spielend deutlich besser, weil das falsche Taiwanbild damit gnädig in den Hintergrund trat.

Spoiler-Anfang: Achtung!
Bizarre Szene: wie ein Taxifahrer von unserer Heldin grundlos erschossen wird, als er die Frage "Do you speak English?" verneint. Andererseits sind die Taxifahrer Taipeis wirklich ein Kraut für sich, so dass ich hier amüsiert gegluckst habe. Und sprechen eigentlich nie Englisch.
Bizarr: Lucy läuft mit der langstieligen Waffe in der Hand durch ein geschäftiges Krankenhaus in Taipei und keiner wundert sich drüber. Aber klar, asiatische Drogenländer haben sicher an jeder Straßenecke Waffen... ;-)
Die Droge im Film ist synthetisch.In der Tat werden in Taipei viele synthetische Drogen produziert, weil wegen strenger Kontrollen andere schlecht herein kommen. Allerdings für den Binnenmarkt. Das Geschäftsmodell des Drogenlords im Film, unter anderen französische und deutsche Expats per Bauchaufschneiden und der Drohung ihre Familie umzubringen als Drogenexporteure zu verwenden fand ich wenig zukunfsfähig: Es gibt schlichtweg zu wenige Deutsche und Franzosen hier. Und mal ehrlich gesagt, ist die Perspektive am Ende bei Ankunft in "Berlin" den Bauch aufgeschnitten zu bekommen und in der Hintergasse entsorgt zu werden von skrupellosen Drogendealern so verlockend, dass man die Drogen wirklich ins Land bringt, statt sich sofort an die Polizei zu wenden?
Spoiler-Ende



Den Film zu sehen war ein klinisch-interessantes Erlebnis für mich, so als würde man einen Film über Deutschland gucken, den der Garküchenbesitzer hier in Taipei an der Ecke gedreht hätte. Da wäre es dann lustig zu sehen, wie wir Deutschen etwa alle Englisch sprechen und ständig Cola saufen und Burger essen. Auf dem Niveau ist jedenfalls das Taiwanbild von "Lucy".

Dennoch gilt: Wer Taiwan und insbesondere Taipei nicht kennt, für den ist der Streifen einfach ein mittelmäßiger und recht unterhaltsamer Action-Scifi-Streifen. Für Taiwanresidente sicher ein bisschen eine Qual.

Ach so, habe sogar meine Wohnungsstür im Film wiedererkannt. Oder jedenfalls genau so ein dunkelrotes Blechding mit Gittern im oberen Teil und einem traditionell-chinesischen Dekoschild vorne dran gepappt. Im Film ist sie in einem finsteren Ganster-Kerker zu sehen. Ich hingegen schließe sowas jeden Morgen ab und jeden Abend auf...


Fakten-Link:
Dieses Blog dient öfter mal als Anlaufstelle für Angehörige von Drogenkurieren, die Drogen nach Taipei herein bringen sollten. Hier der letzte Link dazu, für alle, die die Realität der Drogenkuriere (ganz ohne Superheldentum) interessiert: http://osttellerrand.blogspot.tw/2013/05/deutsche-im-gefangnis-in-taiwan-2013.html  oder auch hier:  http://osttellerrand.blogspot.tw/2014/04/festgenommen-wegen-drogenschmuggels-was.html
Hinter diesen Aktionen soll die Hong-Kong-Mafia stecken. Aber deswegen ist der Bösewicht im Film wohl auch Koreaner. Damit der Streifen in China gezeigt werden kann...

WITZIG.  Taiwanische Taxifahrer bitten Lucy um Gnade in dieser Youtube-Aktion: https://www.youtube.com/watch?v=YGsq1VENKIM
Gestern habe ich auch sogleich das erste Taxi meines Lebens gesehen, an dem ENGLISH TAXI dran stand. Der Film hat gesessen!


Resümee meines Sohnes (3) am Schluss des Films:
"Affe kaputt".
Da schließe ich mich an.


*** offenbar doch Studentin