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Montag, Februar 24, 2014

Smartphonistisches

Wie habe ich als langjähriger Smartphoneverächter mich mit dem Ding arrangiert?
Und wie die Taiwaner? Warum erstarren sie immer öfter bewegungslos auf Straßen und Plätzen?

In zwei taiwanaffinen Blogs begegnete mir die Tage die Rolle des Smartphones in "unser aller Leben", einmal thematisiert Klaus (deutscher Journalist, der in Taipei lebt) die enorme Rolle des Smartphones im Leben der Taiwaner:  http://www.intaiwan.de/2014/02/04/smartphones-taiwan/
Subjektiv erscheint es mir jedenfalls so, als wenn das Smartphone die Taiwaner regelrecht "versklavt". Um eine hübsche junge Frau kennenzulernen, so habe ich es einmal formuliert, muss man sich in Taipei einfach irgendwo an eine Straßenecke stellen. Dann kommt eine Traumfrau um die 20 mit rotgefärbten Haaren um die Ecke, die Augen auf das Smartphone gerichtet und man hat so Gelegenheit auf ein ersten TREFFEN im Sinne einer Kollision. Kommt sie gerade von Starbucks, gibt es sicherlich noch mehr Gesprächsstoff - und ein gemeinsames Date bei der Reinigung oder dergleichen. Mir fallen auch immer wieder junge Damen auf, die wie Statuen mitten in der Kantine oder auf einem Treppenabsatz stehen und sich minutenlang nicht bewegen, perfekt in Trance mit Facebook oder was auch immer. Moderne Kunst könnte es sein, so irr kommt es mir vor, wie sie da zur Salzsäule erstarrt stehen und sich das Meer der hungrigen Kollegen um sie teilt. Oder Gruppen junger Leute, im im Restaurant mit gesenktem Kopf auf die Smartphones gucken und Teller und Tischgenossen keines Blickes würdigen.

Manchmal denke ich, in noch mal 5 Jahren haben alle die Datenbrillen auf und stehen dann glotzäugig auf den Straßen und Plätzen. Lange kann es nicht mehr dauern, schließlich sind auch die Smartphones erst ein paar Jahre alt - 2006 hatte ich mein Motorola Klapphandy bekommen - und da war es noch "in" und Smartphones kannte man nur als Blackberry, die aber nur Geschäftsleute hatten (und der Hersteller hatte offenbar keine Ahnung, was er da eigentlich gebaut hatte).



Die Datenbrillen sind dann sicher nur die Vorstufe zum Hirninplantat. Meine persönliche Technologiegrenze ist ja da, wo die User anfangen zu speicheln beim Benutzen der Technik. Wenn ich so manchen Smartphonisten sehe denke ich, wir sind da bald angelangt. Mir war das gegenwärtige Smartphone lange etwas unheimlich, das gebe ich zu, wohl auch des abschreckenden Beispiels halber, dass die Taiwaner im Umgang damit darstellen. Auch meine Frau ist dem teilweise erlegen, als sie ihr Samsung neu hatte, war es wochenlang nicht von ihrer Hand zu bekommen, was letztlich sogar zu Terminen beim Augenarzt führte. Heute nutzt sie es oft, aber nicht so extrem wie die hier beschriebenen Extremfälle - und unser Augenarzt warnt vor dem blauen Licht des Schirms, das die Retina zerstören würde.

Was mache ich nun selbst mit dem Ding? Ganz trennen vom Mobilfunk will ich mich nicht, auch wenn ich den Schritt vom Blogger Dunkelangst mit Respekt zur Kenntnis nehme (http://dunkelangst.org/2014/02/renaissance-der-armbanduhr/) und mein Android-Phone von Sony hat sich sicher seine Nische bei mir erobert. Es wartet auf den Tag, wo mein Klapphadyvertrag ausläuft, nervt mich oft mit leeren Akkus (alle 2 Tage muss ich es laden) und stellt sich immer wieder leise, wenn die Batterie nicht mehr viel Strom hat, so dass ich es selten klingeln höre. Aber das kann ja auch ein Vorteil sein. Aber zwei definitive Vorteile hat es. Es bringt mir deutsche Nachrichten per "Schöner Fernsehen"-App auf den Schirm und ....

Es eignet sich glatt als Textterminal zum Fernzugriff auf eines meiner Linuxsysteme auf dem Schreibtisch in der Firma! Das konnte mein altes Klapphandy nicht. Oder um mal eben den Router in Schwiegermutters Wohnung neu konfigurieren per Chrome-Browser.

Ein Leben ohne Smartphone? Von mir aus gerne, aber praktisch ist es schon, wenn man es, wie alles im Leben, in Maßen anwendet.

EDIT: Und es diente beim meinem Heimaturlaub in Deutschland als Bildtelefon heim zu Junior, der mit Frau in Taipei saß. Das fanden auch meine Eltern toll, die zwar Technikverächter sind aber nächstes Jahr ein Android-Tablett bekommen, um ihr Enkelkind mal sehen zu können.

EDIT2: Und macht den ganzen Tag "poing-poing-ping" wenn die Schwestern meiner Frau an einen Familienverteiler Textmessages und Toyota- und Seven-Eleven-Icons schicken. Dann wedelt das Werbemännchen der 24-Stunden-Kiosklädenkette "Seven-Eleven" mit einem "Okay"-Schild wie eben gerade. An das Dauerping muss ich mich auch erst noch gewöhnen....


3 Kommentare:

Dunkelangst hat gesagt…

Hi Ludigel,

na da hinterlasse ich doch auch mal wieder einen Kommentar! :)

Zitat: "Manchmal denke ich, in noch mal 5 Jahren haben alle die Datenbrillen auf und stehen dann glotzäugig auf den Straßen und Plätzen."

Die Google Brille ist in den USA bereits im Test. Erinnert mich immer mehr an eine Borg-Gesellschaft [1].

Zitat: "Die Datenbrillen sind dann sicher nur die Vorstufe zum Hirninplantat."

Manchmal überlege ich, mir auf den Unterarm einen QR-Code tätowieren zu lassen. Diese haben eine ausreichende Fehlertoleranz, sodass diese wirklich scannbar sind. Als Inhalt würde ich meinen Vornamen, mein Geburtsdatum und meinen Geburtsort wählen - also die Daten die sich nicht ändern. Das ganze wäre dann Ausdruck meines Protestes, denn ein Cyborg will man ja nun eigentlich nicht werden...

Zitat: "Mir war das gegenwärtige Smartphone lange etwas unheimlich, das gebe ich zu, wohl auch des abschreckenden Beispiels halber, dass die Taiwaner im Umgang damit darstellen."

Je länger ich mein iPad besitze, desto unheimlicher wird es mir: Ich habe keinerlei Kontrolle über meine Daten, da Apple mir misstraut [2].

Inzwischen komme ich mir ungefähr so wie diese Frau im Kurzfilm [3] vor und das ist mir alles noch Lieber, als dass das tatsächliche Leben an mir vorbei zieht.

Jetzt hab ich schon drei Links hier zu mir gesetzt. Ich glaub, ich hab mir den Schritt schon sehr gut überlegt. Vielleicht muss ich ja später wieder als Business Mann mit so einem Teil durch die Gegend laufen. Privat werde ich es jedenfalls nicht mehr machen. :)

Danke für deinen tollen Beitrag zum Thema, Ludigel!!

[1]: http://dunkelangst.org/2013/05/die-borg/
[2]: http://microblog.dunkelangst.org/2014/01/01/trusted-computing/
[3]: http://microblog.dunkelangst.org/2013/08/27/i-forgot-my-phone/

"Ludigel" hat gesagt…

Gern geschehen ;-) Das mit den Implantaten meine ich durchaus ernst. SciFi hat das ja schon lange als Thema und praktisch wäre es ja auch. Allerdings auch grauenhaft meiner Meinung nach, weil ich keine made-in-China - Hardware im Hirn haben wollte (gacker). Ich denke, irgendwann kommt es mal, aber das wird noch ein Weilchen dauern, eher eine ferne Zukunftsperspektive. Aber in den 80ern hätte ich mir auch Datenbrillen nicht vorstellen können oder das Menschen mit Kindern und Ehepartnern im Lokal sitzen und nur auf einen kleinen Monitor in der Hand gucken und starr wie Salzsäulen dasitzen.

patrick_secret hat gesagt…

erschreckend wie unnkritisch in tw alles via smartphone gepostet wird ..
bald gibt es die röntgenbrille welche sich aber nur bei weiblichen Geschlecht einschaltet ;-)