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Montag, Juli 08, 2013

Aus der niedersächsischen freien Wildbahn

Dem Reisenden in exotische Länder widerfahren gar merkwürdige Dinge. Und so war auch meine Frau während unseres zweiwöchigen "Urlaubs" bei meinen Eltern in Niedersachsen permanent dem Nervenzusammenbruch nah, ob der ganzen Unannehmlichkeiten, die so ein exotisches Land zu bieten hat. Nett war allerdings unser gemeinsamer (Frau, Junior und ich) Ausflug in den Zoo Hannover. Exotisches in einem exotischen Land, da ist man gewissermaßen wieder zu Hause, aus der Perspektive meiner Frau gesehen jedenfalls. Hebt sich doppelte Exotik weg? Vielleicht ein Thema für Philosophen.

 Nicht nur Pinguine sortieren sich nach Kategorien ...


Gemütlich saßen wir also im Zoorestaurant, ich hatte meiner Frau schnell eine Portion Lachsfilets mit Kartoffelsalat ergattert, ihr vorsichtshalber noch ein Pöttchen Pommes und Mayo nebst Ketchup dazu gelegt und ein Stück Käsekuchen American Style gleich hinterweg. Seelig war sie (auch wenn ich Käsekuchen, Pommes und Mayo dann selbst essen musste) und ich war froh, mal ein paar Minuten nicht zu hören, wie schrecklich die deutschen Lande in Sachen Essen und überhaupt allem sind und mich in Ruhe ein Stündchen am Burgerstand anstellen zu können (ja, ich hätte auch den leckeren Fisch essen sollen!). Kaum zurück fing dann meine Frau an, Junior mit seinem vorbereiteten Chinareis zu füttern, vorgewärmt in der japanischen teuren Blechdose Marke Zorushi oder wie die heißt, erwiesenermaßen schadstofffrei und sogar niedersachsenfest. Weil er aber das Rezept seiner Taiwanoma in Deutschland nicht mehr mochte, befand sich aus dem lokalen Chinarestaurant gekauftes Geschnetzeltes darin, mit Reis versetzt. Lecker!
Junior wurde trotzdem nicht essen und so fütterte mich meine Frau mit den dicken Bambusstücken aus der Blechkanne, damit Junior sah, wie lecker das Essen war. Hatte auch Erfolg, die Methode.

Und mancher Zoobesucher ist sicher für andere Zoobesucher auch eine Betrachtung wert.


Die ganze Zeit fiel mir dann auf, dass ich laufend vom Nebentisch durchdringend beobachtet wurde. Wie in Taiwan! Da starren die Leute ja auch gerne mal zu mir rüber. Aber hier in Niedersachsen? Falle ich da als Niedersacshe denn so auf? Die französischen und auch polnischen Vorfahren sieht man nicht, denke ich. Mon Dieu und da möchte man den Mottek* rausholen, wer guckt denn da die ganze Zeit rüber?

Am Nebentisch saß eine Riege junger Mütter, nur ein einziger Herr dabei. Alle so Ende Zwanzig und mit Kindern etwas jünger als unser Junior, aber nicht viel. Vergleichsweise habe ich also etwa 20 Jahre meines Lebens gegen ein Jahr Vorsprung bei Junior eingetauscht. Na macht nix. Aber warum guckte die eine junge Mutter beim Füttern IHRES Filiuses städnig zu UNS rüber? Sicher bin ich ein hübsches Kerlchen (hust), aber merkwürdigerweise hatte die Dame sehr viel Missbilligung im Blick die ganze Zeit. Mit ihren roten Haaren im strengen Knoten, dem dicklichen fast schon ungepflegt wirkenden Gesicht, dem "Grünen-Ortsverein"-Standardpulli und den wildledernen Ententschuhen (Marke von Lederstrumpf geklaut und der Ornamente beraubt) war sie nun für mich nicht gerade der Inbegriff der Weiblichkeit. Also, von mir aus hätte sie auch wo anders hingucken können. Immer wieder und wieder dieser missbilligende Blick.

 Wie hier in der hannöverschen Zoogastronomie. Benutzt man eigentlich das Ö in "hannöversch" noch? War vor ein paar Jahren mal Mode in Hannover. Ist aber wahrscheinlich längst angeschafft, weil unökologisch und unnachhaltig. Schließlich verbrauchen die Ö-Punkte Druckerschwärze.


Was sah sie wohl in mir, die junge Dame? Die übrigens wie alle anderen dort am Tisch mit Hingabe und so großem Ernst ihre Sprösslinge fütterten, dass die Handlung an sich schon ein politisches Statement war. Wenn die Milchflasche auf den Holztisch traf, beim Abstellen, dann hieß das gewissermaßen: SEHT HER! Ich opfere mich! Ich habe Kinder! Ist je etwas besonderes im rentnerreichen Deutschland, das sehe ich ein, besonders mit Ende Vierzig.

Aber was war nun so besonderes an mir. Kühler Junitag. Habe das dunkle Jackett mit hellen Nadelstreifen an und die taiwanische Atemmaske keck als Einstecktuchattrappe heraus gezogen. Hmmm.... In Studententagen hatte ich schon immer Jackett, aber keine Krawatte an. Schuld ist glaube ich ein Plattencover von Sinatra aus den 60ern. Desto älter ich werde, desto weniger fällt dieser in der letzten Zeit wieder von mir gepflegte Spleen (oder Stil) eigentlich auf. Aha! Warten Sie! Ich habe es. Oder habe sie. Eine asiatische Frau nämlich, die mich gerade mit dem Löffel füttert. Das muss mal eine Story auf RTL gewesen sein, vor 20 Jahren schon. Aber das bringen die bestimmt immer wieder. Wenn es RTL noch gibt (wahrscheinlich, keine Ahnung allerdings, hatte keine Zeit zum fernsehen wegen Frau im Kulturschock). THAIländerinnen, die natürlich alles Ex-Bardamen sein müssen und Prostituierte sowieso kauen ihren deutschen Männern das Essen vor. Tun sie nicht, sonst hätte mir mein mit einer Thai verheirateter Kumpel sicher davon erzählt und die nette Frau hat bestimmt besseres zu tun. Aber RTL sagt das eben so, dann muss es massenmedial ja stimmen. Das muss es sein. Deutscher Mann wird von seiner gekauften Frau gefüttert!

Ich verwarf den Gedanken, der Ollen nebenan die Zunge herauszustrecken und ignorierte sie völlig. Auch wenn ich vielleicht etwas lauter "Hmmmmmm!" machte, nach dem Genuss des Bambusstückchens. Mit einer Taiwanerin (nicht Thai also) ist es ja schon schwierig, besonders die zwei Wochen daheim in Niedersachsen, dachte ich so. "Aber du kannst froh sein, dass dir gewisse einheimische Pflänzchen ersprart geblieben sind", dachte ich so bei mir. Junior, der schon aus einer eigenen Trinkflasche mit ausklappbarem Halm trinken kann, hielt mir solidarisch seine Trinkflasche an die Lippen. Wenn ich schon aus seiner Thermosflasche essen, kann ich aus aus seiner Flasche trinken, dachte er wohl. Ich lehnte dankend ab. Drüben gab es wieder Milch von glücklichen Kühen für glückliche Kinder. Ging mich aber nix an.


* Das Wort habe ich allerdings einst im Ruhrgebiet gelernt ;-)

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