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Dienstag, Mai 21, 2013

Gemeinsame Untersuchung des "kaltblütigen Mordes" (Update)

Neue Entwicklungen in der Krise Manila/Taipei, die mit dem Beschuss eines taiwanischen Fischerbootes in umstrittenen Gewässern begonnen hat, bei dem ein Taiwaner zu Tode gekommen ist.

Siehe auch meinen Überblick über die Manila/Taipei-Krise: http://bobhonest.blogspot.tw/2013/05/taiwanphilippinen-was-ist-nun.html

Der Standpunkt der Regierung der Philippinen war bislang, nicht mit der Republik China, wie Taiwan offiziell heißt, zusammenzuarbeiten - auch nicht auf Arbeitsebene. Schließlich befolge man in Manila die "Ein-China"-Politik und daher könne man nur mit Peking reden. So jedenfalls gab das Taiwanfernsehen den Standpunkt Manilas wieder. Doch die Taiwaner schufen Fakten. Schlagkräftige Kriegsschiffe patrouillierten in der umstrittenen Region und den Philippinen wurde die Aufforderung zugestellt (wieder berufe ich mich auf das TV), sich nicht in der umstrittenen Region sehen zu lassen. Nun ist es eine Sache zu behaupten, ein Staat würde nicht existieren - eine andere Sache ist es sicherlich, wenn man von diesem angeblich nicht existenten Staat ein modernes Kriegsschiff oder zwei herumfahren hat, in Gewässern, die man selbst auch beansprucht und die Flagge der angeblich nicht existenten Republik China (das wir alle Taiwan nennen) dort vom Mast weht. Die Augen vor einem heranrasenden D-Zug zu verschließen und zu rufen "den gibt es nicht, den Zug!" würde uns als Fußgänger ja auch nicht helfen. Und so ging es ein bisschen wohl den auf der Marineseite sehr schwachbrüstigen Philippinos und jetzt wollen sie also auf Arbeitsebene zusammenarbeiten und den Vorfall gemeinsam untersuchen (http://www.taipeitimes.com/News/front/archives/2013/05/20/2003562700). Weil Taiwan oder eigentlich "die Republik China" ein demokratisches pluralistisches Land mit Mehrparteiensystem ist und eigentlich ein Musterknabe hier in Asien in Sachen Freiheit und Menschenrechte muss ich zugeben, dass ich dieser Tage trotz aller Abneigung von Kanonenbootpolitik und den kriegstreiberischen Reden im Taiwanfernsehen doch ein bisschen mit Wohlgefallen sehe, wie Taiwan hier Flagge zeigt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Es kann einen schon auf die Palme bringen, wie alle nur von der VR-China reden und die Existenz des reichen und zivilisatorisch sehr viel weiter entwickelten Taiwans immer wieder verleugnen. Nun, Manila konnte nicht mehr leugnen und nach dem Schießen auf Unbewaffnete muss es jetzt die Existenz der Opfer zumindest faktisch anerkennen. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

 Nicht, dass das mit dem Patriotismus hier im Blog zur Gewohnheit wird ;-)

Taiwan gewinne so mehr internationalen Einfluss, schreibt der britische GUARDIAN (http://www.guardian.co.uk/commentisfree/2013/may/19/south-china-sea-dispute-taiwan), allerdings ist diese Vorgehensweise nicht unumstritten, manche Ausländer in Taiwan, etwa die "Urmutter aller Taiwanblogs", wettern ganz und gar andersherum. Das besagte Blog will jetzt sogar das Feuern auf ein unbewaffnetes Seefahrzeug entschuldigen: http://michaelturton.blogspot.com/2013/05/daily-links-monday-may-19-2013.html. Wenn Herr Turton mal in "umstrittenem Verkehrsraum" von einem Toyota mit betrunkem Fahrer angefahren wird, hier in Taiwan, dann kann er dem Fahrer nicht die Schuld geben. Denn Schuld ist ja der, der getroffen wird.

 Zaun nahe "Schrein der Märtyrer" in Taipei mit Marinelogo

Unterdessen führt die erhöhte militärische Aktivität des Militärs der Republik China durchaus zu Problemen, freilich technischer Natur: Eine Mirage ist abgestürzt, kurz nach einer F16, der Artikel in der TAIPEITIMES zitiert eine Frage nach der Einsatzbereitschaft der Luftwaffe (http://www.taipeitimes.com/News/front/archives/2013/05/21/2003562780). Hoffen wir, dass sie nicht gebraucht wird, ich denke eine diplomatische Lösung der Krise wird sich früher oder später finden. 

Zumindest die Vertretung der Republik China (Taiwan) in Bratislava bezeichnet den Beschuss des Taiwanisches Bootes als "kaltblütigen Mord": http://www.taiwanembassy.org/ct.asp?xItem=380867&ctNode=7992&mp=512 (Link von Turton gefunden, er findet doch immer wieder gute Sachen ;-)


Was sagt die deutsche Presse?

SPIEGEL und STERN sagen Online nichts dazu, der SPIEGEL hat stattdessen heute morgen Homer Simpson auf der Titelseite. Immerhin ist dem SPIEGEL die Entführung chinesischer Fischer durch Nordkorea eine Meldung wert in der Auslandsrubrik, ein toter taiwanischer Fischer reicht da noch nicht. Warum wird von großen deutschen Medien eine Krise ignoriert, in der immerhin die USA und China zumindest mittelbar involviert sind?  Der deutsche Journalist Klaus Bardenhagen weist auch in seinem Buch darauf hin, dass Taiwan immer mit Kuriosem oder als Krisenherd in Verbindung mit einem chinesischen Angriff in den deutschen Medien erwähnt wird. Auch mir fiel das schon seit längerem auf. Persönlich denke ich, dass Nachrichten eben einfach ein Produkt sind. Und Produkte verkauft man am besten, wenn man bestehende Erwartungen erfüllt. Eine Story über wunderliche buddhistische Priester, farbenfrohe Tempel, Manga-Restaurants oder Hello-Kitty-Zeug in Taiwan verkauft sich daher gut, weil sie die Erwartung "Asiaten sind bizarr" des deutschen Lesers erfüllt. Eine Story über einen drohenden Angriff Chinas (böse) auf Taiwan (gut) erfüllt gängige politisch induzierte Erwartungen bzgl. des Freund/Feind-Schemas. Aber eine komplexere Story, bei der die Philippinen nicht für Mailorder-Brides stehen, Taiwan nicht nur Opfer oder spinnertes Land ist und die Chinesen weder gut noch böse sind, kriegt man nicht so leicht unter in den deutschen Erwartungen. Am Ende würde sich der deutsche Leser nur wundern, wieso Taiwan plötzlich eine schlagkräftige Marine hat. Wo er es doch mit Thailand verwechselt und denkt, die haben nur Bambushütten, Fischkutter und Prostituierte.

UPDATE: Man sieht beim Abendessen in der Kantine die philippinischen Mitarbeiterinnen nicht mehr. Ich nehme an, dass sie gebeten wurden, auf ihren Zimmern zu essen. Zu ihrer eigenen Sicherheit vermutlich. Oder sie haben selbst diesen Schritt unternommen, um nicht angefeindet zu werden.

1 Kommentar:

TG hat gesagt…

Hast du schon das gelesen?

Dead fisherman treated Filipinos like 'his children': report

"I knew him. He was good to the Filipino fishermen here and he treated us like his children," Manasa was quoted as saying in the report.

Ein Taiwaner, der Filipinos respektierte, wurde kaltblütig erschossen - von einem Filipino.