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Montag, Oktober 15, 2012

Ausländer in der Werbung, im TV

Ein Werbespot ging die letzten Wochen durch das Taiwanfernsehen. Eine Endzwanziger-Mutter (eindeutig Einheimische), in weißem Hemd und weißer Hose, geht mit einem Kleinkind, auch ganz in Weiß durch eine weiße Wohnung, in der ein Mann in einem weißen Sessel liegt. "Guck mal, (da ist) Daddy" sagt die Mutter auf Chinesisch ("kan Daddy nali" oder dergleichen), dann schaltet sie die ebenfalls weiße Klimaanlage über dem offensichtlichen Vater ein und alles verströmt wohlig-angenehme Atmosphäre im coolen weißen Design - alle atmen glaube ich tief durch oder so). Der Vater sagt nur einmal "Hi" auf Angelsächisch, das hat er sicher lange üben müssen.
Das Besondere ist die Nationalität des "Vaters", es handelt sich um einen Endzwanziger/Anfang-Dreißiger Kanadier mit blondbraunem Haar, der öfter mal durch Werbefernsehen und Fernsehshows tingelt. Macht sonst Werbespots für Englischschulen.

Beim Fernsehen immer den Schwachsinns-Analyzer (vorne links) mitlaufen lassen....


Bemerkenswert finde ich, dass hier für einen Werbespot in moderner Heimatmosphäre ein offensichtlich weißer junger Mann genommen wird und kein Taiwaner. Offenbar sind wir "Weißen" hier in Taiwan so populär, das sogar eine gemischte Familie in der hier in der Regel anzutreffenden Kombination aus Taiwanerin plus Johnny Foreigner als Ikone für die moderne, schicke Kleinfamilie in Taiwan im Jahre 2012 dienen kann. Wären Westler hier unpolulär oder würden die männlichen Taiwaner denken "Hände weg von unseren Frauen", dann würde der Werbespot nicht funktionieren
In Südkorea etwa gab es vor ein paar Jahren eine Aktion, bei der eine Fernsehshow ihre Zuschauer aufgefordert hatte, Westler, die im Straßenbild mit Koreanerin unterwegs seien, dazu aufzufordern, die einheimischen Frauen in Ruhe zu lassen. Damals berichteten Englischlehrer aus Korea davon, in der Tat belästigt worden zu sein in Korea; der Bericht war damals im taiwanischen Ausländerforum Forumosa.com. In Taiwan könnte ich mir ein solches Verhalten nicht vorstellen. Vermutlich würde der Werbespot also in Korea nicht funktionieren - würde er am Ende sogar Proteste auslösen?

Das positive Weißenbild der Taiwaner war auch in einem anderen Werbespot zu sehen, der eine Weile schon nicht mehr läuft: Eine Frau Typ Schwiegermutter und eine junge Taiwanerin verpassen einem an Kopfschmerzen leidenden Weißen auf dem heimischen Sofa ein Hausmittel, so dass er wieder lachen kann. Wirkt auch wie eine Heimszene, also muss der Westler der Freund oder Gatte der Taiwanerin sein? Oder was immer man da interpretieren will.

Ein etwas surrealistischer Werbespot derzeit zeigt jemanden, der offenbar ein Endvierziger Italiener (oder Spanier o.ä.?) ist, freundlicher Typ mit zurück gegeltem Haar. Er trägt einen weißen Arztkittel und fungiert offenbar als "chinesisch traditioneller Arzt" in einer Praxisumgebung, komplett mit goldener mannsgroßer Figur, die wie immer in solchen Praxen als Symbol für die naturmagischen Zonen des Körpers steht - im wahrsten Sinne des Wortes. Die Szene ist ein Witz an sich, denn nie und nimmer würden Weiße hier als chinesisch-traditioneller Arzt fungieren oder auch nur ernst genommen, denn diese Medizin ist mit Aberglauben, chinesischer Magie und dem festen Glauben an die große alte chinesische Kultur durchsetzt. Der "italienische Arzt" fühlt dann den Puls einer jungen hübschen Patientin (dabei "liest" der Arzt aus dem Körper der Patientin immer alles mögliche, inklusive letzter Mahlzeit, wie ich aus Erfahrung weiß) und eröffnet der jungen Frau dann in dick-akzentuiertem "Chinglisch": "Boooooody boo-Happy". Das "bo" hier also als Verballhornung der chin. Verneinungssilbe "bu". Er erklärt ihr also, ihr Körper sei nicht glücklich. Dann kommen zwei mannsgroße Kiwis aus dem Nichts und ein Sprecher empfiehlt "neuseeländische Kiwis" als Rezept zur Gesundheit, was die junge Frau später förmlich zur Decke fliegen lässt vor gesunder Leichtigkeit. Ein bisschen macht der Ausländer hier also den Clown, aber sicher in recht witziger und vielleicht sogar etwas chinesisch-(un)traditioneller-Selbstironie. Frau und ihre Freunde machen den Spot derzeit manchmal nach, indem sie mit "Booooody boo-Happy" schlechtes Essen kommentieren.

In einem anderen Spot preist ein etwas koruplenter endvierziger Westler eine Pizza einer US-Kette an, das ist eher vorhersehbar, und kräht irgendetwas kehliges auf Chinesisch. Nervige Spots mit Ausländern gab es auch, aber das ist schon viele Jahre her. Um 2004 hatten sie einen Spot, bei dem Kinder bei "Neandertalern" essen, die Urmenschen dargestellt als schwarz angemalte und in Fellen gekleidete Taiwaner. Allerdings bezeichnete eine durch den Werbespot geisternde taiwanische Hausfrau die Urmenschen als "Waiguoren" und erklärte, wenn man bei "Waiguoren" essen würde, würde man hinterher den Vitamintrunk der Marke XY benötigen. Und dann tanzten die Kinder hinter den Urmenschen her und sangen dabei "Waiguoren...Waiguoren". Nun heißt Waiguren "Ausländer" auf Chinesisch und wird in der Praxis meist synonym für "nichtasiatische Ausländer" verwandt. Der Spot führte dazu, dass mir nicht nur die Neffenschar zu Hause, sondern auch noch wildfremde Kinder auf der Straße hinterher ließen und dabei "Ausländer, Ausländer" riefen. Die Assoziation "Urmensch-Ausländer-schlechtes Essen" gefiel mir damals nicht allzu sehr Sogar meine Gattin ist mir damals hinterher getanzt... ;-)

Ein unschöner Widergänger in Sachen Ausländerspot hingegen ist der "Vitali"-Spot einer taiwanischen Brause. Schon Jahre alt, wurde er vor kurzem wieder gesendet. Hier wird ein Schwarzafrikaner in traditioneller afrikanischer Kleidung gezeigt, der mit einem Taiwaner am Tisch sitzt, der die "Vitali" genannte Brause trinkt (mit lateinischen Buchstaben ist die Getränkedose beschriftet). Der Taiwaner will den Afrikaner offensichtlich von der Qualität seiner Brause überzeugen und liest immer immer wieder das V-I-T-A-L-I auf dem Etikett der Dose vor, mit dem Finger den Buchstaben folgend und langsam sprechend, so als hätte er es mit einem Debilen zu tun. Der Afrikaner fragt in stark akzentuiertem Englisch "Isse goode drink?" und der Taiwaner wiederholt immer wieder "V-I-T-A-L-I" und der Afrikaner spricht es immer wieder als "ITALY" falsch aus. Weil Taiwaner öfter mal Weiße für dusseliger als Chinesen/Taiwaner halten und Schwarze für dusseliger als Weiße, ist mir dieser alte Spot alles andere als sympathisch.

Alles nichts gegen den Horror eines Wahlspots von 2004, bei dem zwei Weiße als Einbrecher fungierten und von der einem Wahlplakat entsteigenden Figur des Kandidaten (in chin. traditioneller Kleidung) vertrieben wurden. Weil ein Werbeplakat passend zum Spot in "meinem" damaligen Bürogebäude auch noch am Geldautomaten aufgehängt war und vor (offenbar weißen!) Dieben beim Geldabheben warnte, habe ich mich damals noch jung und naiv nicht an den Automaten getraut. Heute würde ich sicherlich das Plakat abreißen und in den Müll stopfen.

Aber es fällt auf, dass die unverschämten und wenig schmeichelhaften Spots schon mehrere Jahre alt sind und bis auf den Vitali-Spot nicht mehr gezeigt/gesendet werden und die neuen eher positiv sind. Wahrscheinlich werden Ausländer im Straßenbild eher zum allgemein akzeptierten Normalzustand und der Durchschnittstaiwaner erschreckt nicht mehr vor ihnen. Nur manchmal habe ich es noch, das ältere Mieter bei uns in der Mietskaserne einen Schreck kriegen, wenn ich in den Fahrstuhl steige oder unfreundlich reagieren. Dafür werde ich von älteren und auch jüngeren Damen manchmal angehimmelt und auch die Herren sind fast alle überfreundlich, da will ich mich bestimmt nicht beschweren über das Weißenbild in Taiwan Anno 2012.


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2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ein Dank an die Missionare! Meine Schwiegermutter erzählt noch heute von den charmanten Norwegern, die damals das Hospital geleitet haben, in dem sie als junge Krankenschwester gearbeitet hat. Allerdings scheint selbst hier in Kaohsiung das Bild des "English Teachers" langsam in den Keller zu rutschen. Wohl zu viele illegale Lehrmigranten ohne echte Ausbildung.

"Ludigel" hat gesagt…

Auf Forumosa.com nennen sie immer mal wieder die Straße in Bangkok, in der es English-Degrees gibt. Illegal auf Tourivisum arbeiten, den Visa-Run nach HongKong und zurück machen wenn das Visum abgelaufen ist und keine Steuern zahlen und im Forum über die harte Drogenpolitik schimpfen, das Leben vieler Englisch Teacher könnte sicherlich das Bild von Westlern in Taiwan nachhaltig schädigen. Da sind unsere Gastgeber doch recht nachsichtig. Weil "wir" nur wenige sind vermutlich.