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Freitag, August 05, 2011

Nettes und Nerviges

Der Mietvertrag ist unterzeichnet, konnte mir also unsere neue Wohnung im Veteranenviertel noch mal ansehen. Veteranen wie in "alte Soldaten", also wörtlich zu nehmen. Sehr nett die Vermieter, er ein Offizier im Ruhestand, mit ruhiger, freundlicher, einnehmender Art, hinterließ zwei Flaschen Rotwein im Küchenschrank, die sie uns zeigten - da stoße ich dann gerne auf die Armee der Republik China alias Taiwan an - und proste auch Luftwaffe und Marine zu, man weiß ja nie. Nachbarin Frau W. ist eine Mittfünfziger Dame, elegant und souverän, eben wie man sich eine Generalsgattin so vorstellt. Möbel haben wir für den Umzug kaum, schließlich hat unser Tischler-Onkel fast alle Möbel im Haus maßgeschneidert in den Wänden eingeklebt - die übernimmt der Käufer der Reihenhauses.
Nette Erlebnisse hatte ich der Tage viel mit Taiwanern, etwa mit winkenden Eltern im Krankenhaus, die wie ich ihr Kind auf der Kinderstation besuchen, wo unser Neugeborener noch liegt. Oder Lustiges wie der junge Mann, der mir vorm Eingang zum Krankenhaus entgegen kommt und so merkwürdig seine Kamera vor dem Bauche hält, da höre ich zweimal leise Klick, hat er mich heimlich fotografiert. Na ja, in Taiwan ist man mit Mitte Vierzig und Übergewicht im Hawaiihemd-Dings immer noch eine Attraktion.

In dem Militärkrankenhaus gefällt es mir sowieso immer besser, das schicke Basement mit Burgerking, Dunkin Donuts (die haben den deutschen Krapfen oder Schmalzkuchen tatsächlich erheblich verbessert die Amis) oder dem Koreaner im Food Court, wo es Rindfleisch mit würziger schwarzer Soße gibt. Schwarze Soßen sind immer gut, das ist so im Leben. Oder die Doha-Butze, wo Frau und ich eben Doha, einen wie Pudding schmeckenden Sojapudding (schmeckt wie Pudding weil es Pudding ist) essen und der Backwarenladen mit echten Baguettes. Jetzt bräuchte ich nur noch eines der dunkles Zimmer wo die Ärzte und Schwestern immer drin nächtigen, dann könnte ich auf die Wohnung verzichten. So aufgeräumt, dunkel und leer ist Taiwan sonst nirgends, herrlich zum Schlafen.

Unschön war es überraschenderweise in der Firmenkantine, wieder mal nach Jahren der Ruhe. Wollte mir nur Schnell Pommes mit Reis und scharfem Irgendwasfleisch hinein löffeln um noch schnell vor dem Stau aus der Firma zu kommen und meinen Sohn im Krankenhaus zu besuchen, da bezeichnet mirch irgendein Küchenaffe als "Adoga", gesprochen "Adoa", das ist Taiwanisch und heißt "Langnase" oder "Bignose" und kommt vielleicht auch von einem japanischem Schmähausdruck "a dog" (gespr. auf Japanisch: a-dog-a, weil sie hinten die Silben lang ziehen) für Weiße. Ich verbitte mir das, sogar auf Mandarin, da sagt er auf Chinesisch zu der Küchendamen-Batterie. "So, was dann, AGONG vielleicht?". Die Damenriege kichert, dass die Schneidezähne nur so blitzen unter den Stupsnasen. "Agong" heißt alter Mann, sehr schmeichelhaft. Ich wollte nur mein Essen löffeln und lies es dabei bewenden, ein paar Minuten länger reden mit dem Knallkopp und ich stehe im Stau. Und er kann mich auf Chinesisch eh jederzeit nieder reden. Wir werden mal sehen, welchen Sprung die Karriere des Küchenteufelchens in der nächsten Zeit machen wird. Oder ich lasse es dabei bewenden, wenn es keine weiteren Vorkommnisse gibt. Andererseits hätte ich ja auch ein Übersee-Kunde sein können, und von denen sprechen auch viele ein paar Brocken des Lokalkolorits. Und wer will in diesen schwierigen Zeiten schon Kunden verlieren, weil sie in der Kantine beleidigt werden.

Hmmm.... seit dem Tripp nach Indien habe ich in der Tat ein paar graue Strähnen und Ringe unter den Augen. Tja, so vergeht die Zeit. Aber wie hatte ich einst bemerkt als vor Jahren schon eine Nachbarin in den Zwanzigern einen Zettel mit der Parole "jung und erfolgreich" in ihrem Cubical neben mir aufgehängt hatte.... "Ich bin alt und gemein."

Geriatrische Grüße,
Ludigel

8 Kommentare:

Karl hat gesagt…

Rotwein im Kühlschrank - daran kann mich mich irgendwie bis heute nicht gewöhnen obwohl ich gezwungenermaßen meinen Rotwein auch runter kühlen muss.

Mein Weinkonsum hat sich in Taiwan reduziert, weil man mindestens 5 Euro für einen Wein ausgeben muss von dem man leider erst hinterher weiß ob er trinkbar war.

Zum Glück gibt es alternativen: Belgisches Bier (Fruchtbier) bei Carrefour (haben die selten, ich sollte den Rest dort aufkaufen) oder meine selbst gemachten Caipirinhas mit (selbst) importierten Cachaca :-).


BTW: Ich suche immer noch eine gute Quelle für Warsteiner.

Miri hat gesagt…

Vlt. meinte er so was wie: "Das ist der Alte vom kleinen L., er ist mit der knallharten geschäftstüchtigen S. verheiratet und die zwei halten es nun schon so viele Jahre miteinander aus, ohne durchzudrehen und das, obwohl sie regelmäßig das Wasserkocherausweichspiel spielen und das essen müssen, was wir kochen, und haben sich jetzt auch noch fortgepflanzt, wartet mal, wenn der kleine L. erst groß ist und die Geschicke dieser Firma lenkt... Dann werden wir ein Weltkonzern und dann gibts vermutlich auch endlich was Vernünftiges zu essen in der Kantine." ;-P

Muss da so nen bißchen an die Fabel vom "poperen Ganter" von James Thurber denken... ;-P

"Ludigel" hat gesagt…

Ne, der kannte mich nicht näher. Aber bei Ausländern denkt sich hier jeder Trottel, er könne sich etwas herausnehmen. Antatschen, anpöbeln etc., was sie bei ihren Landsleuten oder Japanern oder Koreanern niemals machen würden. Anpöbeln ist oft so halb-freundlich, diesmal aber eher nicht.

Anonym hat gesagt…

Lu Er Fu:
Militärhospital? Das dachte ich anfangs auch als mein Junior im General Tsu Hosptital (oder so ähnlich) mich zum ersten Mal sah und sofort wie am Spiess anfing zu schreien. Das 'General' hat aber nichts mit dem 'Oberstadmiral-Militär' zu tun, sondern bedeutet lediglich HAUPT-Tsu-Krankenhaus. General=Haupt......ok? Leider war dieses Krankenhaus SEEEHR gesundheitsbewusst. Das Essen für Madame roch sehr gut. Hat Sie leider gerade in dem Moment zurückgehen lassen als ich mir die Hände wusch. Essen kostete, wie vom Ludigel schon gesagt, extra und war vorbestellt. Wusste ich nicht als ich auf der Holzbank neben den Bett von Madame nächtigte. Kein Problem. Als alle schliefen bin ich runter in die Kantine und wollte mir ein Stück Huhn, xiaotse, Choo, oder was auch immer reinziehen...angekommen dortselbst frug ich mich (so wie Ozzy Osbourne) warum der Mensch Reisszähne hat...ALLES WAR VEGETARISCH. Kein Pproblem. Ich bin ja schliesslich in Taipeh/Xindidan. Raus aus dem Krankenhaus und mind. 20 Stück 7-11, Family und Konsorten buhlen um mich mit Würstchen, Bier und Taipei Times.....DACHTE ich...ungelogene 20 Minuten bin ich gelaufen bis ich die Sperrzone verlies und meine Gelüste stillen durfte.
Ludigel, ich hoffe, deine Schwiegermamma ist etwas moderner und gesundheitsbewusster eingestellt als die Meinige. Jeden Tag hat sie meine Madame mit frisch gekochten Innereien versorgt. Innereien? Schwermetallbelastet? 'Halt Dein Maul Adoa. Hat man früher schon so gemacht.' Natürlich hat der Junge nun jede Menge Allergien..aber das ist wahrscheinlich das schlechte Vaterblut. Dann....NIEMALS Haarewaschen 4 Wochen lang, kein Spiegel, kein Sonnenlicht.......und wenn irgendwas schiefläuft bist sowieso Du schuld...usw..usw...usw...

"Ludigel" hat gesagt…

Ne, meins ist wirklich ein Militärhospital, aber offen für Zivilisten. Frau sagt ich darf den Namen nicht sagen, sonst lesen es Taiwanische Kollegen und wollen sich das Kind angucken. Denn sie verweigert den Kolleginnen sogar Fotos, weil, so weiß man ja, das Unglück bringen kann, wenn Fremde ein noch nicht ganz gesundes Kind auf dem Foto sehen und Mitleid haben.
Das Schwangerschaftsessen kam vom Bringdienst, mal 5.30 Uhr morgens und mal 7.30 Uhr. Normales Essen, wenig Fett, wenig Soße, viel gedünstetes Gemüse, konnte man gut essen. Ih gitt, Innereien.
Gewaschen und geduscht hat sie sich Gott sei Dank...

Miri hat gesagt…

Dafür hast Du, seitdem der Kleine auf der Welt ist, auch sehr viel Positives (von Seiten der Einheimischen!!!!!!) erlebt. Was auch daran liegen könnte, dass Du Deine eigenen Scheuklappen etwas abgenommen hattest.
Vlt. wird L. ja auch Revolutionär und sorgt dafür, dass es in T. eine klassenlose Gesellschaft gibt... Von den Chinesen ist dsbzgl. ja nichts zu erwarten, wo sie neuerdings sogar den US-Amerikanern empfehlen die Sozialleistungen zu kürzen. ;-)

Miri hat gesagt…

Die Vorläufer der Doughnuts/Donuts ("Teignüsse") sollen übrigens angeblich die Holländer in den USA zubereitet haben, nicht die Deutschen. Das Loch in der Mitte wurde dann in den USA "erfunden".

Miri hat gesagt…

Na ja, die Chinesen wollen mit ihren Aussagen vermutlich die US-Politiker stärken, die sich selbst zwar als Patrioten bezeichnen, aber dafür sorgen, dass es in den USA bald massive soziale Unruhen geben wird, wenn sie so weitermachen wie bisher. Sie befördern ihr Land gerade jeden Tag ein Stück näher an den Abgrund. Und die Chinesen freuen sich. Parallel schießt die Wall Street auch noch auf den Euro. Diese Michele Bachmann und der Rest der Truppe müssen absolut irre sein...