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Montag, November 01, 2010

Taiwan-Frust

In Taiwan ist man immer ein Fremdkörper, wenn auch einer, der winkend willkommen geheißen wird. Eine der größten Frustrationen ist freilich, wenn man merkt, dass man hier Null Einfluss auf irgendetwas hat und eigentlich auch keine Rechte, denn jeder Streifenpolizist hier könnte z.B. die Ausweisung eines Ausländers veranlassen, oft genug geschieht das, sowie ein Ausländer, der nicht mit einem Einheimischen verheiratet ist in irgendeiner Form mit dem Gesetz in Kontakt tritt, auch z.B. als schuldloser Unfallteilnehmer, wenn bei dem Unfall Einheimische zu Schaden kommen. Eine Kuriosität ist auch, dass Ausländer, die eine sexuell übertragbare Krankheit haben, grundsätzlich ausgewiesen werden, also auch, wenn sie sich diese von ihrem taiwanesischen Ehepartner geholt hätten. Nur mal als konstruierten Fall.



Wie viel Frust sich aufstauen kann nach Jahren, zeigt die folgende Diskussion auf dem Ausländerforum Forumosa.com, bei der ein Ausländer einen schweren Unfall mit Fahrerflucht gesehen hat und alle über den Dritte-Welt-Stil des taiwanesischen Straßenverkehrs klagen (http://forumosa.com/taiwan/viewtopic.php?f=8&t=92868&start=10#p1219629).

Bei manchen mischt sich mehr in den Frust. Ich war schockiert den Kommentar eines langjährigen Forumsmitglieds zu lesen, der in Taiwan verheiratet war oder ist und bis vor Kurzem versucht hat hier ein Unternehmen aufzubauen, einen Handel mit importierten DVDs und Computerspielen für Ausländer, der allerdings keine Chance hatte, gegen Gratisdownloads im Internet anzukommen. Er schreibt Zeilen, hinter denen sich sehr viel mehr Frust und Dramatik verbirgt, als der Anlass einer Verkehrsdiskussion alleine bewirken könnte. Aber nicht selten hat man so Diskussionsbeiträge, bei denen sich der Seelenschmerz der Teilnehmer in Nebensätzen entläd.

Er habe in 15 Jahren Taiwan erfahren, dass er keine Rechte habe, habe erfahren er müsse entweder das akzeptieren oder gehen und sei gegangen, habe sogar seine Frau deswegen verlassen. Auch der Umstand, nach einem Unfall auf der Straße vielleicht unversorgt auf der Fahrbahn liegen zu bleiben und dort zu Sterben, wird von ihm als Weggehgrund genannt. Ich kann das durchaus nachvollziehen, habe ich doch meinen Wagen in all den Jahren hier auch schon oft um blutende und sich krümmende Menschen herum gesteuert. Man wird leicht verklagt, wenn man hilft in Taiwan, denn in der Logik der Taiwanesen wird nur jemand anhalten und helfen, der selbst in den Unfall verwickelt ist. Das ist so, weil Konfuzius lehrt, dass Familie und Freunde im Leben wichtig sind, woraus die Taiwanesen ableiten, alle anderen seien unwichtig.


Er ist gegangen, ein Teil von mir bewundert ihn dafür. Ich begucke sie mir mit ironischer Distanz, kommentiere bisweilen zynisch das betrunkene Autofahren und die ganzen wundersamen Interaktionen. Fühle mich wohl auf dieser Art, in der Fremde lebt es sich halt anders.

Heute mache ich stille Witze, wie sehr das Blut an den Fingern der verletzten Frau (Einheimische stehen drum herum und gaffen) zu ihrem Nagellack passt, Zynismus wird zum Ventil, erschrecke über mich selber, fahre weiter, denke es ist bald Zeit nach Hause zu kommen. Da diskutiert meine Frau das Essen am Wochenende. Ja gut, fahren wir mal wieder ins Roadies. Burger mit Pommes essen und nehmen die Hunde mit. Das wird schön nächste Woche.

[Dieser Artikel kann nur von Expats verstanden werden.]

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