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Donnerstag, November 05, 2009

HARRYS KRIEG: Der Zweite Weltkrieg neu erzählt

Harry zieht, mit Sektkübel (oder was immer das ist) auf dem Kopf, in den Krieg. Abschiedsfoto 1939.


Teil 1 einer neuen Serie in Ludigels Formosablog.
Ganz ohne Taiwan und China geht die neue Reihe in Ludigels Formosablog los. Der Zweite Weltkrieg im Taiwanblog. Kann das gutgehen?

Wie schon bereits angekündigt werden die fotografisch dokumentierten Erlebnisse meines Mittelnamensspender und Onkels Harry Hachmeisters hier in Form einer Forsetzungsgeschichte wiedergegeben. Nein, die Geschichte des Zweiten Weltkrieges muss nicht neu geschrieben werden. Eine passende Einleitung ist auch schwer, fast hätte ich geschrieben "Mit etwas Verspätung fange ich heute mit dem Zweiten Weltkrieg an, gestern war ich zu müde" aber dann fiel mir auf, dass das wie eine Zeile aus Konrad Kujaus gefälschten Hitlertagebüchern klingt.

Zuffenhausen bei Stuttgart


Wie der Krieg in das Leben der Menschen tritt, ist sicherlich einer ernsthaften Betrachtung wert. Wann passiert es das erste Mal, dass die Normalität durchbrochen wird? Aber Achtung, trotz des schweren Themas besteht hier Anekdotengefahr, das Leben schreibt die grausamsten und zynischsten davon. Wenn ich hier also den Weltkrieg Nr. II aus der Sicht meines Verwandten wiedergebe, wenn auch angemessen von mir kommentiert, heißt es den Ansatz "Der Zweite Weltkrieg in Anekdoten" zum umschiffen, denn die Präsentation im Fotoalbum meines Onkels scheint manchmal in die Richtung zu gehen - oder vielleicht ist es auch nur meine Sichtweise.

Gehen wir an den Anfang und gucken was passiert; das Ende kennen wir alle. Überliefert ist der Anfang der größten Zivilisationskatastrophe der Menschheit, wie sie -glaube ich- der SPIEGEL einmal genannt hat, von seiten meines Vaters mit einer kleinen Geschichte. Er war mit seiner Großmutter einkaufen, im Kolonialwarengeschäft an einem Mittag des Jahres 1939. Obst und Gemüse und auch Exotischeres gab es dort zu kaufen. "Nehmen Sie noch Bananen, Frau Kobbe!", sagte der Händler, als Großmutter mit der Bestellung fertig war. "Die wird es bald nicht mehr gegeben." In der Tat sollte es bis in die 50er Jahre dauern, bis die Familie wieder Bananen zu Essen bekam. Für Ostdeutsche hat der Krummwarenentzug sogar noch ein paar Jahrzehnte länger gedauert.


Harry, erste hintere Reihe ganz links, hebt noch schnell einen vorm Krieg.

Interessant ist es, wenn man sich die Kneipenfotos genau anguckt. Das folgende Foto, wohl das ältere der drei Kneipenbilder, hat nämlich (links neben dem Fenster) ein Coca-Cola-Reklameschild. Später ist es abgenommen! Ein Amerikaner hat einmal gesagt, zivilisierte Länder könne man daran erkennen, dass sie Coca Cola verkaufen. Weil es eben in Iran und Iraq etc. keine gab. Nun ja, Deutschland nahm das Colaschild ab, die Amerikaner waren dier Feind, ab jetzt gab es teutonische Brause mit bitterem Nachgeschmack.




Harry, wohl vorne links am Tisch und über ihm die Colareklame. Macht sich komisch zu Uniformen Nazideutschlands...



Dann sieht man Harry auf der Abfahrt nach Stuttgart (wo ihn erstmal die Feierstunde oben erwartete) in den Ascher im Zug starren. Was hat er gedacht, bei der Abfahrt aus dem heimatlichen Großraum Hannover? Das dritte Reich war noch jung, die meisten Verbrechen noch nicht begangen, Deutschland war ein paar Jahre vorher noch für die Olympiade in Berlin bewundert worden. Viele fühlten, Deutschland "sei jetzt wieder wer" und habe es den Franzosen mit ihrem überkanditelten Versailler Vertrag gezeigt. Schließlich sollte Deutschland in dem Vertrag von 1919 bis 1990 (!) Reparationen zahlen.

Hitlers Bedienungsanleitung, das Buch "mein Kampf" hatte ja kaum jemand gelesen. RTFM sagt man im Englischen. Read the fucking manual.


Eins ist jedenfalls klar, die kesse Stirntolle kam ab. Trotzdem werden wir Harry im Folgenden auf fast allen Fotos lächeln sehen, immer schwebt er über den Dingen und dadurch erscheint der Zweite Weltkrieg in seinem Album fast wie ein spannendes Abenteuer. Auf geht's auf die wilde Reise, die von Deutschen verursachten Greul können wir an dieser Stelle noch nicht sehen. Für ihn wird es gut ausgehen, ich kenne ihn aus den Siebzigern als 1.80 großen Hühnen (das war damals groß), der fast immer nur scheeweiße Kleidung trug, ein weißes Chrysler-Cabriolet (oder sogar zwei) mit roten Ledersitzen hatte, Tennis spielte, eine kleine Segeljacht hatte und in einem tollen Bungalow am Steinhunder Meer wohnte. Gestorben ist er, als er eines Morgens nach dem Frühstück, erst knapp über Sechzig plötzlich wieder Hunger hatte. "Ich habe so einen Riesenhunger auf Brötchen", waren seine letzten Worte und entschwand in der Küche. Da wurde er von seiner Frau tot neben der Brötchentüte auf dem Boden gefunden. Aber bis dahin ist es noch lange hin, jetzt fährt Harry erstmal ab.

Bis bald im nächsten Teil.


EDIT: Was steht auf dem verdammten Kasten im Hintergrund drauf? Jegotrtlen? Siegotrtlen? Siegertrtlen? Macht mich verrückt, wenn ich etwas nur fast aber nicht ganz lesen kann...
Update: Dieses Sütterlin ist schwer zu lesen. "Sigelultra" heißt das wohl. Sigel ultra ist noch heute ein Fotopapier! Ist also wohl ein Postkartenautomat!

EDIT2: Wie ich anhand weiterer Fotos feststellen konnte, zeigt das Bild mit der Cola-Reklame die selbe Kneipe, aber im Jahr 1941! Mitten im Krieg hatte man also die Colareklame aufgehängt. So kann man falsch liegen. Schuld ist Harry, der hat nicht sortiert.


1 Kommentar:

walter hat gesagt…

na ja, 41 sah man sich ja noch als sieger. coca - cola hätte sich dann bloß koka - kola genannt.
;-)