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Dienstag, April 21, 2009

Sinnlose Hexenjagd: Internetsperren in Deutschland

UPDATE (21. April 2009), auch der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Weichert äußert sich sinngemäß: LINK
Er befürchtet, dass "Zigtausende von absolut unschuldigen Menschen zu Verdächtigen" würden.
Siehe dazu auch meine Ausführungen unten.

Bei allem Verständnis, Konsumenten von Kinderpornographie ihrer wohlverdienten Strafe zuführen zu wollen und so einer Industrie das Wasser abzugraben, die Kinder entführt und missbraucht, ist es immer erforderlich, Strafverfolgungsmaßnahmen so durchzuführen, dass sie Schuldige überführen und keine Unschuldigen treffen.
Leider hatten wir in der Vergangenheit immer wieder das Muster, dass die Polizei pornographische Webseiten übernimmt, bei denen Werbebanner (!) für kinderpornographische Seiten vorkommen. Surfer, die wohl erlaubte Sexseiten aufsuchen und einmal falsch klicken (oder gar nur ein Werbebanner angezeigt bekommen), werden dann vom Logfile des Servers erfasst und ihre IP-Adresse wird gespeichert. Diese wird dann mit Hilfe des Internetproviders der Adresse zugeordnet und dann gibt es eine Hausdurchsuchung, auch der Arbeitsplatz wird durchsucht.

Dabei trifft es völlig Unschuldige, die manchmal nur für eine Sekunde auf der falschen Seite waren und gleich wieder weggeklickt haben. Wenn gar nur ein Werbebanner zu sehen war, ist dies keinesfalls strafrechtlich relevant. Aber dann kommt die Polizei zum Arbeitsplatz, sagt dem Chef "guten Tag, ihr Herr Meier steht im Verdacht, Kinderpornograph" zu sein, er wird gefeuert, Nachbarn reden, der Ruf ist ruiniert, unter Trara werden Urlaubsfilme und die Lindenstraßensammlung auf Video aus dem Haus getragen und die Presse feiert die Beschlagnahme von "tausenden von Datenträgern, Videokassetten und CDs" bei den Verdächtigen. Meist ist dann alles heiße Luft, wie in der Vergangenheit bei der deutschen Operation "Himmel", die dann kleinlaut zurückgenommen wurde, aber die Existenzen von Unschuldigen vernichtet hat. Die amerikanische Landslide-Operation und ihre dilletantische fahnderische Umsetzung in Europa (Weitergabe von IPs durch das FBI an europ. Fahnder) ist ein weiteres Thema, wo Unschuldige sogar in den Selbstmord gedrängt wurden. Ehe geschieden, Job weg, Auto und Haus können nicht mehr abbezahlt werden, kein Besuchsrecht für die Kinder und alles passiert einem Unschuldigen.
Ein bisheriger Bericht über Operation Himmel etc. : LINK
Bei der Operation Himmel wurde scheinbar kein einziger wahrer Konsument überführt.

Jetzt das neuste Beispiel: LINK
In Zukunft will Deutschland Internetseiten sperren, die entweder direkt Kinderpornographie enthalten oder Links auf Kinderpornographie. Nun gibt es aber auch Seiten wie "Wikileaks***", die einfach über den Stand von Sperrungsplänen berichten und dabei leider auch die Adressen von Seiten enthalten, deren Sperrung geplant ist. Das kann dann so ablaufen:

Ein Unbescholtener gibt in Google das Stichwort "Internet-Adresse" oder "URL" etc. oder gar "Internetsperre" ein und landet dann bei Wikileaks, die nur über den Stand von Internetsperrungen in Deutschland berichten wollen. Genauer: er landet da eben nicht, sondern der Browser zeigt eine Sperrungsseite. Soweit so gut, brauch ja keiner die Internetadressen zu lesen. Aber es ist auch geplant, wöchentlich die IP-Adressen der Surfer and das BKA zu übermitteln.

Wieder wird das BKA mit Internetadressen unbescholtener Surfer überflutet und wieder wird die Presse dann einen Schlag gegen "zehntausende Kinderpornographen" feiern. Wenn so große Zahlen in so kurzer Zeit zusammen kommen, müsste eigentlich jedem klar sein, dass da Unschuldige ins Schleppnetz geraten.

Die Lösung? Wer nicht ausversehen ins Visier der Fahnder geraten will, sollte nur noch anonym surfen, also entsprechende Tools einsetzen wie z.B. Tor (als Vidalia-Suite bequem vom Browser Firefox aus zu nutzen). Ist zwar langsam, aber man muss nicht Sorge haben, ungerechtfertigt in falsche Listen zu gelangen. Noch mal: In Zukunft genügt schon das Anklicken einer Seite in Google, um evtl. auf einer Sperrseite zu landen und dann wird die IP, ohne das irgendetwas strafrelevantes stattfand, an das BKA übermittelt!

Verlinken will ich jetzt nicht auf die Tools, sonst sagt noch einer, ich wolle Strafverfolgungsmaßnahmen boykottieren.

Nochmal: Schuldige sollen gefasst werden, aber mir geht es darum, dass nicht Unschuldige wieder mal zu Hauf ins Netz geraten und ihre Exisitenzen zerstört werden. Surfen wird so in Deutschland zum unkalkulierbaren Risiko... es sei denn man schützt sich.

*** Die entspr. Wikileaks-Seite wird in Deutschland bereits gesperrt, noch findet keine IP-Weiterleitung statt, weil es sich bislang nur um eine Einzelsperrung handelt und das konzertierte Sperrungssystem derzeit noch in der rechtl. und techn. Planung ist.

1 Kommentar:

StefanMuc hat gesagt…

Siehste, es ist nicht nur Taiwahnsinn - Deutschland spinnt auch.

Ich gebs zu, ich finds auch nicht troestlich...

Seufz. Womit haben wir solche Politiker verdient?